Von Hannes A. Czerulla
Armin Ehrhardt, Leiter der Hochschulbibliothek, bezeichnet die Gesetzesnovellierung als Rückschritt. Foto: Hannes Czerulla
Noch ist es Alltag an den Hochschulen, Lehrmaterialien und Zeitschriftenartikel für eine bestimmte Gruppe kostenlos ins Netz zu stellen. Diese Situation könnte sich bald dramatisch ändern, denn im neuen Gesetzesentwurf sind hier starke Einschränkungen geplant.
Sollte das neue Gesetz in der aktuellen Form in Kraft treten, würde dies starke finanzielle Belastungen für Bibliotheken, Hochschulen und ihre Benutzer bedeuten. Digital gespeicherte wissenschaftliche Texte und Zeitschriftenartikel können dann nicht mehr ohne Lizenzabgaben verschickt oder eingesehen werden. Anlass für die Änderungen ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001, durch die die Position der Verlage und Urheber gestärkt werden soll.
Gebühren und alternatives Modell
Wissenschaftliche Texte und Zeitschriftenartikel sollen nur dann kostenlos online zur Verfügung gestellt und verschickt werden können, wenn der zuständige Verlag nicht selbst einen Onlinevertrieb bereithält. Ansonsten sind Lizenzgebühren von bis zu 50 Euro pro Artikel zu erwarten. Auf Bibliotheken kommen somit erhebliche Kosten zu, die an die Benutzer weitergegeben werden müssen.
Für den Durchschnittsstudenten wären solche Beträge niemals aufzubringen. Deshalb wird es Bibliotheken ermöglicht, einen gewissen Geldbetrag an die Verlage zu entrichten und somit die Genehmigung für einige kostenfreie Leseplätze zu erwerben. An diesen Plätzen können die Bibliotheksbenutzer die lizenzgeschützten Texte einsehen.
„Elektronische Steinzeit“
„Die elektronisch gespeicherten Texte in den Bibliotheken sind zwar eine sinnvolle Ergänzung zu den klassischen Printmedien und haben diese teilweise sogar ersetzt. Doch nach der Gesetzesnovellierung ist es nicht mehr möglich, sie kostenfrei in digitaler Form an andere Standorte zu verschicken“, beklagt der Leiter der Bibliothek der FH Bonn-Rhein-Sieg, Armin Ehrhardt. Dies sei ein klarer Rückschritt. Das Aktionsbündnis „Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft“ spricht sogar von einem „Rückfall in die elektronische Steinzeit“.
Trotz dieser und zahlreicher anderer Kritiken aus den eigenen Reihen verteidigt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries das Gesetz. Die Bundesregierung gestalte mit der Urheberrechtsreform „einen fairen Rahmen für Nutzer und Verwerter im digitalen Zeitalter“.
Weiterführender Link:
Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft
Artikel vom 16.02.2007
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