Spanischer Dichter arbeitet in der Bibliothek
von Max Grigo
Jairo Compostela hat eine einzigartige Geschichte zu erzählen. Von einem Anglistik-Studium in Madrid trieb es den Spanier nach Sankt Augustin, wo er heute eine Ausbildung in der Bibliothek macht. Außerdem hat er zwei Gedichtbände veröffentlicht. Doch wie kam es dazu?

Wie ein Profi: Compostela signiert eines seiner Werke. Foto: Max Grigo
Im Jahr 2013 schloss Compostela an der ältesten Universität Madrids sein Anglistik-Studium mit dem Schwerpunkt Literatur ab. Noch während seines Studiums lernte er seine heutige Frau kennen – eine Deutsche, die ein Auslandssemester in Madrid absolvierte. Direkt nach seinem Abschluss wanderte Compostela nach Deutschland aus, um mit seiner Freundin zusammenzuziehen.
„Durch die Wirtschaftskrise war der Arbeitsmarkt in Spanien katastrophal, vor allem für junge Menschen“, erinnert er sich. Zu Beginn arbeitete der Akademiker in verschiedenen Kunstmuseen. 2019 trat er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste an der Hochschule an, bei der auch seine Frau angestellt ist. Doch dass es in eine Bibliothek ging, war kein Zufall. So hatte Compostela bereits in Madrid in der Uni-Bibliothek gejobbt: „Ich habe damals gemerkt, dass das meine Berufung ist. Nun gab mir die Hochschule diese Chance, und ich bin sehr dankbar.“
Kästner und Heine für sich entdeckt
Für die Dichtkunst begeistert sich der kreative Kopf schon seit dem Teenager-Alter: „Meine Inspiration ist mein Leben. In meinem ersten Band habe ich zum Beispiel viel über die erste Liebe geschrieben.“ Nach frühen Abdrucken in einem Uni-Medium kam schließlich ein Verlag auf den jungen Lyriker zu und bot ihm die Veröffentlichung als Buch an. Neben den Themen änderte sich mit den Jahren auch Compostelas Stil. Heute schreibt er laut eigener Aussage weniger frei und hält sich mehr an formale Konventionen. Bei seinem zweiten Band arbeitete er beispielsweise ausschließlich mit der strengen Sonettform. „Vielleicht hängt es mit der deutschen Mentalität zusammen. In Spanien ist alles emotionaler und spontaner, in Deutschland eher geplant und geordnet“, erklärt der Dichter. Mit einem Augenzwinkern ergänzt er: „In Spanien verabredet man sich spontan mit seinem Freund für denselben Abend. Hier trägt man sich so einen Termin eher in den Kalender ein.“ Schließlich fügt er lachend hinzu: „Vielleicht bin ich aber einfach nur alt geworden.“
Bislang dichtete der Spanier zwar nur in seiner Muttersprache, doch auch Veröffentlichungen auf Deutsch schließt er nicht aus. Die einzige Ausnahme bildete bisher „Prolog im weißen Vers“, ein Sonett über das Auswandern, das er ins Deutsche übersetzte. Obwohl die Sprachbarriere teilweise noch ein Problem darstellt, findet Compostela auch an einigen Autoren seiner neuen Heimat Gefallen. Dazu gehören unter anderem Heinrich Heine und Erich Kästner. Letzterer hat es dem Dichter besonders angetan: „Eigentlich haben seine Bücher immer ein tiefgründiges Thema, doch er setzt es mit Humor und in einfacher Sprache um.“
Wie bei vielen Kreativen gibt es auch für Jairo Compostela einen gewissen Geisteszustand, in dem ihm das Dichten leichter fällt. „Ich schreibe in schwierigen Situationen oder wenn ich melancholisch bin“, erklärt er. „Ich vergleiche es mit einem Puzzle. Es ist sehr kompliziert und man muss viel Geduld haben. Manchmal brauche ich Wochen oder Monate, um ein Sonett wirklich zu komplettieren.“ Schließlich fasst er zusammen: „Ich kann nichts erzwingen. Wenn die Inspiration kommt, ist es gut. Wenn nicht, dann nehme ich mir eben Zeit.“
Weiterführender Link:
„Prolog im weißen Vers“ auf Deutsch
Artikel vom 30.06.2021
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