Von Gaby Kasper
FH-Professor Gerd Knupp (links) plauscht auf dem Sofa der Hochschulbibliothek in Rheinbach mit dem Sprachwissenschaftler Peter Honnen. Foto: Gaby Kasper
„Kappes, Knies & Klüngel“ heißt das Buch, dessen Inhalt Honnen vorstellte. Die meisten Überlieferungen zur Entstehung der Wörter seien leider falsch, wenn gleich auch wesentlich schöner, belehrte er das verwunderte Publikum. So seien die „Fisematenten“ und das „Fisternöll“ keinesfalls der Zeit der Französischen Revolution und der anschließenden Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen zum Ende des 18. Jahrhunderts zuzuordnen.Nur ein Gerücht
Die Fraternisierung vorantreibend, sollen französischen Offiziere die rheinischen Mädels eingeladen haben: „Visitez ma tente!“ Worauf die Väter der Damen kurze Zeit später die Ermahnung ausgesprochen haben sollen: „Keine Fisematenten!“ („Kein „Visitez ma tente!“) Gleichen Ursprungs soll das „Fisternöll“ (die heimliche Liebschaft) sein, erzählte der Sprachwissenschaftler. Da die Töchter gerade in der Karnevalszeit die väterliche Ermahnung missachtet hatten, erlebten sie um die Weihnachtszeit die Folgen davon: Nachwuchs. Und zwar ein „echtes Christkind“ („fils de noël“). Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sind die beiden schönen Wörter aber schon wesentlich älter. Denn Französisch die Sprache des Adels war, verbreiteten sich einige französische Lehnwörter schon sehr früh, wurden auch kaum phonetisch verfremdet, zumal „trottoir“ und „parapluie“ auch das ungebildete „niedere Volk“ aussprechen konnte.
Gaunerlatein
Honnen erklärte weiter, dass die meisten Redewendungen und Begriffe unserer rheinischen Umgangssprache dem Rotwelschen entstammen. Diese auch Gaunersprache genannte Geheimsprache ist eine bewusste Verfremdung (zum Teil auch Verballhornung) jiddischer, spanischer und anderer Sprachen. Seit dem Mittelalter war sie besonders bei fahrenden Handwerkern und Landstreichern im gesamten deutschen Raum verbreitet. Circa 6000 codeähnliche Wörter sind den Wissenschaftlern bekannt. „Ganove“, „schnorren“, „Schmiere stehen“, „Klinke putzen“ und „Kohldampf schieben“ – heute jedermann geläufig – verstand nur diese soziale Gruppe. „Dampf“ war das Synonym für „Hunger“ und „Kohl“ das für „arm“. Somit teilte man untereinander mit, dass nicht Zeitmangel, sondern Geldmangel der Grund für den Hunger war. „Klinke“ ist eine Verfremdung von „Klinge“ (Messer, Schwert) und „Klinke putzen“ bedeutete nichts anderes als „auf Raubzug gehen“.
Sprachwandel
Der sprachliche Alltag einer Region hat sich schon immer von der Schriftsprache unterschieden und kann einem schnelleren Wandel unterliegen. Sprachwissenschaftler Peter Honnen geht davon aus, dass heute keiner mehr so wie hier vor hundert Jahren üblich reden kann. Eine Ursache liegt darin, dass gerade im Rheinischen der Dialekt in den vergangenen 50 Jahren als Zeichen einer niederen sozialen Klasse verpönt war. Außerdem äußerten damals Pädagogen die Befürchtung, die Zweisprachigkeit von Dialekt und Hochdeutsch führe dazu, keine der beiden Sprachen richtig zu lernen.
Diese These gilt zwar als widerlegt, in Bayern oder um Wien herum ist der typische Dialekt fast erhalten geblieben und hat sich nicht mit der Schriftsprache vermischt – der ursprüngliche, rheinische Dialekt ist aber unwiderruflich verloren. Es mögen aber noch andere Faktoren über Erhalt oder Niedergang eines Dialektes entscheiden: Eine Umfrage ermittelte den Wiener Dialekt als erotischsten. Wo diese Untersuchung stattgefunden hat, verriet Honnen nicht.
Artikel vom 08.02.2005
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