Von Katrin Petzold
Monika Ozog (hier mit Sohn David) muss in viel Eigeninitiative Studium und Familie unter einen Hut bringen. Foto: Katrin Petzold
Monika Ozog, BWL-Studentin in Rheinbach, muss dringend zur Vorlesung. Es ist früh am Morgen, in zehn Minuten kommt die Straßenbahn. Ihr Mann hat Kaffee gekocht, aber sie hat keine Zeit mehr. In aller Hektik greift die junge Mutter nach ihrem Mantel. Plötzlich steht ihr dreijähriger Sohn in der Tür und breitet seine Arme aus: „Mama bleib hier!“ ruft er und schlüpft in ihre Schuhe, damit sie nicht fortgehen kann. „In solchen Momenten habe ich immer ein schlechtes Gewissen. Es ist schwer, Mutter zu sein und gleichzeitig zu studieren“, sagt Monika Ozog.
Eltern sein zwischen den Vorlesungen
In Sankt Augustin und Rheinbach müssen etwa zehn Studierende, Mitarbeiter und Professoren – Mütter wie Väter – mit dieser doppelten Belastung zurecht kommen. Dabei fehlt es vor allem an Kinderbetreuungsplätzen. Eine Umfrage der Gleichstellungsstelle der FH ergab, dass im Wintersemester Betreuungsplätze für 28 Kinder, darunter elf Kinder von Studierenden, benötigt werden. Zwar gibt es eine Kooperation mit den umliegenden Kindergärten der Stadt, doch diese bieten nur zehn freie Plätze an. „Um einen dieser Plätze belegen zu können, muss das Kind dem gewünschten Alter des Kindergartens entsprechen. Außerdem sind soziale Aspekte der Familie ausschlaggebend“, so Dezernent Reinhard Groth.
„Seit zwei Jahren bewerbe ich mich für einen Platz in einer Kindertagesstätte, aber da ich verheiratet bin, werden mir alleinerziehende Mütter vorgezogen“, sagt Monika Ozog unzufrieden. Dabei müsste es an der FH an Betreuungsplätzen nicht mangeln: Die beiden Studentenwohnheime in Sankt Augustin und Rheinbach sind für die Betreuung von jeweils 30 Kinder ausgestattet. Lange Wege blieben den Eltern erspart.
Was fehlt, ist die Genehmigung vom Land. Die Betreuungseinrichtungen stehen seit über einem Jahr leer. Professorin Brigitte Grass, Gleichstellungsbeauftragte der FH, kämpft seit langem gegen die Missstände: „Ich habe schon alles versucht, um endlich das Geld zu bekommen. Aber das Familienministerium teilte mit, dass derzeit keine Landesmittel zur Verfügung stehen.“
24 Stunden reichen nicht
Der Tag studierender Eltern muss straff organisiert sein, will man spielen und Seminare, kuscheln und Klausuren vereinen. Jeder Tag hat einen anderen Rhythmus, jedes Semester eine andere Planung.
Sylvia Hofstra, Studentin der Computer Science, verheiratet und Mutter von zwei Schulkindern, kämpft jeden Tag aufs Neue: „Ich stehe um 5.30 Uhr auf und mache Frühstück für alle. Mein Mann muss dann zur Arbeit, und ich bin ab 8 Uhr in der FH. Um 13 Uhr muss ich zurück sein, um Mittagessen zu kochen, danach wieder Vorlesungen – meist nehme ich die Kinder mit. Wenn alles schläft, lerne ich noch bis Mitternacht.“
Probleme gibt es viele: Da werden anwesenheitspflichtige Veranstaltungen zum Debakel, wenn das Kind krank ist. Vorlesungszeiten überschneiden sich mit den Schulferien. Andere lesen ihre Skripte, während man selbst Gute-Nacht-Geschichten vorliest.
Der Alltag mit Kindern ist eben ganz anders, als es der Studienverlaufsplan vorsieht. „Irgendwie sitzt man ständig zwischen zwei Stühlen: Einerseits möchte man vernünftig studieren, andererseits soll die Belastung für die Familie möglichst gering bleiben“, sagt Sylvia Hofstra und will möglichst schnell ihren Abschluss machen.
Besonders schwierig gestaltet sich das Praxissemester. Wer durchgängig acht Stunden im Unternehmen arbeiten soll und weder Kindergartenplatz noch Tagesmutter hat, kann nur noch auf die Hilfe von Familie und Freunden hoffen.
In den Augen der beiden Mütter müsse an der Fachhochschule noch viel getan werden, um die Bedingungen für studierende Eltern zu verbessern. Es sollten endlich die Kindertagesstätten in den Wohnheimen eröffnet werden, verlangen sie, wünschen sich einen kinderfreundlichen Arbeitsraum in der Bibliothek und schlagen vor: „Man sollte ein Eltern-Netzwerk gründen, damit man sich gegenseitig unterstützen kann.“
Weiterführende Links:
Kita-Plätze des Studentenwerks Bonn
Katholische Hochschulgemeinde Bonn
Artikel vom 18.07.2006
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