von Max Joram
Rilke ist ihr großes Vorbild: Irina Malsam, Sekretärin im Fachbereich Informatik. Foto: Max Joram
Dass Menschen ein Hobby haben, ist völlig normal. Eine Kunst als Hobby zu beherrschen ist schon seltener, jedoch immer noch nicht spektakulär. Wenn man es aber fünf Jahre nach seinem ersten Gedicht in einer fremden Sprache in das Buch „Die besten Gedichte 2011/12“ schafft, ist das eindeutig etwas Besonderes. Beim Literaturwettbewerb „Almanach 2013“ für deutsche Autoren aus Russland belegte sie in der Kategorie Lyrik den ersten Platz.
Die in Bonn lebende deutsch-ukrainische Dichterin Irina Malsam hat genau das geschafft: Sie wuchs in der ehemaligen Sowjetunion, im heutigen Moldawien, auf. Im Jahr 1992, im Alter von 20 Jahren, zog sie mit ihren Eltern nach Pforzheim, später nach Bonn. Obwohl schon vor dem Umzug teilweise in der Verwandtschaft Deutsch gesprochen wurde, war die Umstellung auf eine andere Sprache zunächst schwer und ist es auch heute noch manchmal.
Seit 2013 arbeitet die Bürokauffrau Irina Malsam im Sekretariat des Fachbereichs Informatik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
„... durch Flusses Strömung...“
Ihr erstes Gedicht verfasste sie ungefähr 2007 und trug es im gleichen Jahr ihren Kollegen bei einer beruflichen Fortbildung vor. Die positiven Reaktionen bestärkten sie, weitere Gedichte zu schreiben und diese auch Verlegern zuzuschicken. Im Jahr 2012 nahm die Frankfurter Bibliothek ihr Gedicht „Sehnsucht“ in den Sammelband „Die Lyrik des 21. Jahrhunderts – Die besten Gedichte 2011/2012“ auf.
Seitdem ist Malsam schon bei mehreren Lesungen aufgetreten, sie genießt dort den Austausch mit anderen Menschen und freut sich vor allem, wenn Kulturen sich durch Gedichte näherkommen: Bei der Lesung „Ich verstehe den Bahnhof“ im August vergangenen Jahres in Aachen trat sie zusammen mit Dichtern aus Tschechien, Kasachstan und Russland auf.
Woher die Inspiration für ihre Gedichte kommt? „Überall her eigentlich“, sagt sie. Mal ist es das Schwarze Meer mit all seiner Wildheit, mal ist es der Rhein, der Irina Malsam durch seine enorme, geordnete Kraft beeindruckt und zu Sätzen wie „durch Flusses Strömung weggerissen …“ motiviert.
Moderne Vorbilder
Ob Sie jemals damit gerechnet habe, dass ihre Gedichte so viele Menschen berühren? „Nein, nie. Ich verarbeite in meinen Gedichten gern persönliche Dinge, umso mehr freut es mich jetzt, dass es so vielen Menschen gefällt.“ Ihr persönlicher Favorit ist der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke, der als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne gilt. Doch auch Bands wie „Die Söhne Mannheims“ haben in Irina Malsam schon früh die Liebe zur Lyrik geweckt. Und dass es eine Art Liebe sein muss, ist kaum zu übersehen: Die Gedichte sind gespickt mit bildlichen Umschreibungen, haargenau ausgewählten Wörtern und Verkettungen, die einem auf den ersten Blick meistens verborgen bleiben. Oft lässt sich auch ihre Verbundenheit mit der Natur in ihren Texten bemerken, etwa wenn von „den blauen Himmelsweiten, von Wolken weißer Spitzen durchzogen“ geschrieben wird, oder das „Gelbe der Bäume die Lüfte schmückt“.
Zuletzt hat Irina Malsam ihre Gedicht live bei einer Veranstaltung Ende Juni 2014 in Mainz vorgetragen.
Wettbewerbsbeitrag in der Kategorie Lyrik
und 1. Platz im Almanach 2013:
von Irina Malsam
***
Aus feinem Gewerbe geformt,
ziehe ich
silberne Fäden des Worts:
dicke und stabile,
feine und fragile.
Halte sie fest
auf weißem Papier,
mit neuen Bildern, Visionen
und neuen Wegen in mir ...
Ich höre Musik in mir wachsen,
sehe sie aus feinen
schillernden Mustern entstehen,
aus der Tiefe meiner Seele.
Reite auf gewaltigen, grjünen Wogen der Inspiration,
surfe runter ins bunte Tal der Vision.
Ab und an tauche ich ein
in die Tiefen des Ozeans.
Von Strömungen erfasst,
lasse ich mich treiben
in die geheimnisvollen Weiten ...
***
Alles leuchtet.
Es leuchtet rot und grün und gelb,
es leuchtet pink und blau.
Der graue Wintermorgen wird bunt und hell,
in goldenem Schimmer erhebt sich der Post Tower.
Und ich rase vorbei
an all den Lichtern,
eile davon.
Schließe das Bunte in mir ein
und bin dankbar für die Inspiration ...
Weiterführende Links:
Alle Gewinnerbeiträge des Almanach 2013 im Geest-Verlag
Internationale Rilke-Gesellschaft
Rainer Maria Rilke auf Wikipedia
Artikel vom 11.07.2014
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