von Pascal Kimmich
Professor Paul Melcher. Foto: Juri Küstenmacher
Bereits im Studium wünschte sich Paul Melcher, einmal Geschäftsführer oder Wissenschaftler zu werden – erreicht hat er schließlich beides. Doch der Reihe nach. Melcher wurde in Olpe geboren. In der Schule sei er anfangs nur ein mittelmäßiger Schüler gewesen, erinnert er sich. Erst die Ausbildung zum technischen Zeichner motivierte ihn, über den zweiten Bildungsweg eine Studienberechtigung zu erhalten. An der Universität fühlte er sich direkt unglaublich wohl. „Das Studium war eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Hier konnte ich von brillanten Köpfen lernen und mich weiterentwickeln“, berichtet er. Er studierte Maschinenbau in Siegen, später dann Engineering with Business Studies in Portsmouth.
Als Doktorand war er zum ersten Mal in Forschung und Lehre aktiv und merkte schnell, dass die Generierung und Vermittlung von Wissen ihn begeisterte. In seiner Promotion zum Thema „Untersuchungen über das Befahren des Tiefseebodens mit aktiven Manganknollenkollektoren“ wies er wissenschaftliche nach, wie elektrohydraulische Antriebe unter extremen Umgebungsdrücken bis 600 bar zu entwickeln sind. Dafür erhielt er den Preis für die beste anwendungsbezogene Dissertation von der IHK-Siegen und veröffentlichte die Ergebnisse in mehreren Fachzeitschriften. Danach wechselte er in die Industrie und sammelte dort wertvolle Erfahrung als Konstruktions- und Entwicklungsleiter. Seine Forschungen mündeten in mehreren Patenten und Publikationen. In der Summe kam ihm dies als Professor bei der Anwendung praxisnaher Lehrkonzepte zugutekam.
Als der heutige Dekan des Fachbereichs Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalusmus, Professor Johannes Geilen, ihm einen Lehrauftrag für das Fach „Konstruktion“ anbot, zögerte er nicht lange. Das schnelle Wachstum der Hochschule erlebte er in den folgenden Jahren hautnah mit: „Im ersten Semester hatte ich in meinen Fächern jeweils 15 Studierende. Im Jahr 2000 wurde ich zum Professor berufen und die Erstsemesterzahlen verdoppelten sich jedes Jahr, bis es 300 Studierende im Audimax waren“, erinnert sich Melcher. Neben seinen Lehrveranstaltungen betreute er außerdem bis heute 300 wissenschaftliche Abschlussarbeiten.
Aus der Praxis kommend legt der Wissenschaftler bis heute großen Wert auf den Anwendungsbezug in Forschung und Lehre und beschreitet dabei auch neue Wege: 2015 untersuchte er in einer wissenschaftlichen Studie mit Kollegen der TU Braunschweig und der Quadriga Hochschule Berlin den Stand der Prozessorganisation in deutschen Unternehmen. Außerdem überzeugte er mit seinem Vortrag die Jury des VDMA vom projektorientierten Lehrkonzept des Fachbereichs, der mit diesem Konzept den mit 100.000 Euro dotierten Preis „Bestes Maschinenhaus 2015“ erhielt. Wie gut Wissenschaft und Humor zusammenpassen, zeigte er 2019 mit seinem Vortrag zum Thema „Warum die Bockwurst immer längs aufplatzt“, mit dem er den ersten LectureSlam der Hochschule für humorige Erklärungskunst gewann. Mit dem Zentrum für Innovation und Entwicklung in der Lehre (ZIEL) entwickelte Melcher 2020 ein neues Konzept für seine Online-Lehre.
Um Studierende in die Lage zu versetzen, eigenständig Probleme zu lösen, ist es erforderlich, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden zu erkennen und ernst zu nehmen. Die eine richtige Art der Wissensvermittlung gibt es nicht. „Als Lehrender muss man bereit sein, selbst dazu zu lernen und die Studierenden für das Fach zu begeistern. Die Fragen meiner Studierenden waren für mich immer ein Hinweis darauf, dass ich eine Thematik noch nicht gut genug erläutert habe. Das war ein Anspruch an mich, es beim nächsten Mal noch besser zu machen“, sagt Melcher.
Die Fähigkeit, Schwierigkeiten als Teil eines Prozesses zu sehen statt als Rückschlag, liegt begründet in einer Sicht auf das Leben, die stark geprägt ist von seinen Erfahrungen im Kampfsport. Vor seiner Zeit an der Hochschule praktizierte Melcher 20 Jahre lang aktiv Ju-Jutsu und sagt heute, dieser Sport habe ihn lebenstüchtig gemacht.
„Im Kampfsport ist man in einer Sekunde noch der Überlegene und kann schon im nächsten Moment selbst am Boden liegen. Das Verlieren gehört dazu. Das hat mich gelehrt, fair zu spielen, Vorbild zu sein und immer mein Bestes zu geben“, sagt Melcher. Das verkörpert er nicht nur an der Hochschule: Nebenberuflich erfüllte er sich seinen zweiten Lebenstraum und ist sein eigener Chef als Auditor, Berater und Trainer für Qualitätsmanagement.
Auch im Ruhestand geht der umtriebige Hochschullehrer weiterhin seiner Berufung nach und lehrt weiterhin für Master-Studierende am Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften das Fach „Integrierte Managementsysteme“. Er wünscht sich, dass die Studierenden das Privileg zu schätzen wissen, im Studium täglich Neues zu lernen. „Wir geben in der Lehre unser Bestes, um alle Studierenden dabei zu unterstützen“, sagt Melcher. Damit nicht genug wird sich Professor Paul Melcher in der nächsten Zeit zudem wieder verstärkt der Forschung widmen. In seinen wissenschaftlen Aktivitäten geht es bei Melcher meist um die Untersuchung der Erzeugung und Auswirkung von Druck, ob nun physikalisch bei elektrohydraulischen Antrieben von Maschinen oder psychisch bei Arbeitsdrücken in Ablaufprozessen von Unternehmen oder bei dem Schalldruck auf den Menschen. So auch im Forschungsprojekt ADENiA, das er gemeinsam mit Professor Ingo Groß leitet. Das multidisziplinäre Projekt untersucht, wie sich der Schalldruck auf den Blutdruck auswirkt und damit für die Schlafqualität und Gesundheit vieler Menschen relevant ist.
Weiterführende Links:
Personenseite Professor Paul Melcher
Projekt ADENiA
Artikel vom 29.04.2022
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