Professor Wolfgang Borutzky: Ruhestand mit Vorbehalt, denn Ideen kommen immer
von Eva Tritschler
Als „Professor in Kopf und Herz“ charakterisiert Wolfgang Heiden, Dekan des Fachbereichs Informatik der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seinen Kollegen Wolfgang Borutzky. Deshalb sei das schon inflationär benutzte Wort vom Unruhestand bei Borutzky mehr als angemessen. So war die Verabschiedung in den Ruhestand mit Wegbegleitern aus fern (Videokonferenz) und nah (Video und Präsenz) auch kein endgültiger Abschied von der Hochschule. Er wird weiterhin Lehrveranstaltungen im Masterstudiengang Autonomous Systems abhalten. Auch die Wissenschaft kann weiter auf ihn zählen.

Abschied in den Ruhestand: für Professor Wolfgang Borutzky ein ambivalentes Ereignis. Foto: Eva Tritschler
Professor Wolfgang Borutzky wirkte schon kurz nach ihrer Gründung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg als Berater für die inhaltliche Ausgestaltung des geplanten Studiengangs Mechatronik sowie bei der Raum- und Bauplanung mit. 1997 ordnete ihn das NRW-Wissenschaftsministerium von der Fachhochschule (FH) Köln nach Sankt Augustin als Studiengangsleiter für den Studiengang Maschinenbau ab. Im März 1998 wurde Borutzky dann als Professor für das Fach „Simulation technischer Systeme und Ingenieur-Informatik“ an die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg berufen.
Im Fachbereich Informatik schätzte er immer die Arbeitsatmosphäre, die Offenheit für neue Themen und Gebiete und genoss die Entfaltungsfreiheit: „Ich hatte immer Raum für Entfaltung.“ Seinen Studierenden kam zugute, dass er Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus zahlreichen wissenschaftlichen Konferenzen in die Lehre einfließen lassen konnte. Es verwundert deshalb nicht, dass Borutzky den Ruhestand als ambivalentes Ereignis empfinden muss. Formal bereits 2019 pensioniert, ging es während der anschließenden Senior-Professur und über diese hinaus noch weiter: mehrere Konferenzen, Keynote-Speaker, ein Buch fertiggestellt … „und er wird weiterhin das spannende zunehmende Zusammenwirken von Ingenieurwissenschaften und Informatik verfolgen. Wissenschaftliche Neugier und Interesse an neuen Gebieten bleiben. „Ideen kommen einem unabhängig von Arbeit oder Privatleben“, zu dem übrigens nicht zuletzt zwei Katzen gehören.

Wolfgang Borutzky studierte Mathematik an der TU Braunschweig und wurde auch in Braunschweig im Maschinenbau promoviert. Bevor er an die HS Bonn-Rhein-Sieg kam, war er als wissenschaftlicher Angestellter bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD, heute Fraunhofer Institutszentrum Birlinghoven) in EU-Projekten tätig.
Seinen internationalen Kontakten ist es zu verdanken, dass bereits 1999 mit Professor José Granda von der California State University of Sacramento der erste Gastwissenschaftler ein Jahr lang an der HS Bonn-Rhein-Sieg lehrte und forschte. Während dieses Aufenthaltes führten die beiden Wissenschaftler einen Workshop zu Modellbildung und Simulation für die regionale Wirtschaft durch. Darüber hinaus stieß Borutzky ein Kooperationsabkommen mit der kalifornischen Universität an. Dies gelang ihm auch mit der University of Dubrovnik, wo er zehn Jahre lang einen Lehrauftrag in der Informatik wahrnahm und 2008 vom Senat der Universität zum Associate Professor of Electrical Engineering and Information Technology ehrenhalber berufen wurde.

Der Wechsel vom ingenieur-wissenschaftlichen Fachbereich in die Informatik 2002 stellte für Professor Borutzky keine Hürde dar, denn interdisziplinäres Arbeiten ist für ihn selbstverständlich. So scheint ihm die Widmung der Professur für Angewandte Informatik, insbesondere Modellbildung, Simulation und Visualisierung technischer Systeme auf den Leib geschneidert: Die Methoden der Modellierung und der Simulation multidisziplinärer Systeme sowie deren Regelung sind seit über 25 Jahren seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre. In diese Zeit fällt die Ausrichtung der European Conference on Modelling and Simulation (ECMS) mit ausgewiesenen Persönlichkeiten als Keynote Speakers und rund 300 Teilnehmern aus aller Welt, die er 2006 als General Chair nach Sankt Augustin holte. Es war die erste internationale wissenschaftliche Konferenz an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Zur Interdisziplinarität gehören seine Beiträge zur der von Prof. Henry Paynter am MIT in Cambridge, Massachusetts, USA begründeten Methodologie der Bondgraphen, die auf dem universellen Prinzip der Energieverteilung beruht und für Ingenieure in der Elektrotechnik, für Maschinenbauer, Mechatroniker und Informatiker eine gemeinsame Beschreibungssprache bietet. Die 2010 bei Springer erschienene Monographie über die Methodologie der Bondgraphen war Borutzkys erstes Buch als Professor der HS Bonn-Rhein-Sieg. Dabei ist Mathematik für ihn der Schlüssel: „Ich muss etwas nachrechnen oder in Formeln umwandeln können, um es besser zu verstehen.“

Ein Forschungsthema, mit dem er sich gegenwärtig beschäftigt, ist insbesondere die modellbasierte Aufdeckung und die Isolierung von Fehlern in technischen Prozessen und Systemen sowie die Failure Prognosis: „Sie bilden die Grundlage für eine sichere Fehlerdiagnose, für automatisierte Überwachungs-systeme und für eine fehlertolerante Regelung oder Rekonfiguration.“ Besonders reizt ihn an diesen Themen, dass sich Mathematik, Ingenieurwissenschaften und Informatik überlappen. Leider, so stellt Borutzky bei seinem Abschied fest, werde es künftig nicht mehr so selbstverständlich sein, an internationalen Konferenzen teilzunehmen wie zu der Zeit mit einer Professur am Fachbereich Informatik. Online wird er sich zuschalten, wo es möglich ist und auch noch den einen oder anderen wissenschaftlichen Beitrag liefern.
Andererseits bleibt im neuen Lebensabschnitt nun mehr Zeit zum Beispiel für sportliche Aktivitäten wie Schwimmen, Tauchen und Radfahren. Reisemöglichkeiten werden durch die weiterbestehende weltweite Pandemie allerdings noch eine Zeit eingeschränkt bleiben.
Link zum jüngsten Buch (erschienen 2021):Bond Graph Modelling for Control, Fault Diagnosis and Failure Prognosis (Verlag Springer)
Artikel vom 10.10.2021
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