Heutige KI dem Menschen nicht ebenbürtig
Interview: Eva Tritschler
Im Wissenschaftsjahr 2019 zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) beteiligte sich Oliver Ruf, seit September 2019 Professor für Kommunikationswissenschaft und Medienpraxis, mit einem Wettbewerbsbeitrag und gehörte zu den Gewinnern. Bei der „Ideenschmiede KI“ wurde sein schlauer Chatbot präsentiert. BMBF-Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas eröffnete die Ausstellung im September und gab dem doppelpunkt: ein Interview.

Wolf-Dieter Lukas, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium (BMBF), bei der Eröffnung der „Ideenschmiede“ in der Pop-up-Box im Bikini Berlin. Hier in Interaktion mit FELIX – the Robot der Archimedes Exhibitions GmbH Berlin. Foto: BMBF/Hans-Joachim Rickel
doppelpunkt: Das aktuelle Wissenschaftsjahr ist der künstlichen Intelligenz gewidmet. Warum ist KI ein zentrales Thema?StS Wolf-Dieter Lukas: Künstliche Intelligenz ist die wohl spannendste Zukunftstechnologie unserer Zeit. Sie birgt viele Chancen, unser Zusammenleben auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene auf positive Weise zu verändern. Wir sehen derzeit einen großen Bedarf an Austausch zu diesem Thema – sowohl innerhalb der Fachcommunity als auch in der Bevölkerung. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist KI noch sehr abstrakt und wenig greifbar. Daraus können Vorbehalte oder gar Ängste entstehen. Wir wollen hier aufklärend und informierend tätig sein und offen diskutieren. Das Wissenschaftsjahr bietet die ideale Plattform hierfür: Es macht das Thema beispielsweise durch Dialogformate, kreative Ansätze in Kunst und Musik oder Wanderausstellungen anschaulich.
doppelpunkt: Was kann KI überhaupt schon, wo sind Ihrer Einschätzung nach die Grenzen?Lukas: Eine allgemein akzeptierte Definition zu Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es nicht. KI ist zunächst ein Teilgebiet der Informatik, das versucht, mit Hilfe von Algorithmen kognitive Fähigkeiten wie Lernen, Planen oder Problemlösen in Computersystemen zu realisieren.
Navigiere den Fuchs in seinen Bau. Der Chatbot von Professor Ruf spricht auch über sich als Künstliche Intelligenz. Foto: Daniel BirkichtWenn wir heute von KI sprechen, dann sprechen wir im Allgemeinen von der sogenannten schwachen KI, meist von Maschinellem Lernen bzw. Deep Learning. Ziel moderner KI-Systeme ist es, Maschinen, Roboter und Softwaresysteme zu befähigen, abstrakt beschriebene Aufgaben und Probleme eigenständig zu bearbeiten und zu lösen, ohne dass jeder Schritt vom Menschen programmiert wird. Dabei sollen sich die Systeme auch an veränderte Bedingungen und ihre Umwelt anpassen können.
Die Lernfähigkeit der Systeme wurde bereits zu Beginn der KI-Forschung als grundlegende kognitive Fähigkeit definiert. Es ist jedoch schwierig, abschließend zu bestimmen, was als „intelligent“ gilt. Abhängig vom jeweiligen Stand der Technik entwickelte sich daher stets das Verständnis darüber weiter, was als KI bezeichnet wird.
Eine dem Menschen in allen Belangen ebenbürtige KI, sogenannte starke KI, wird – da stehe ich mit meiner Meinung nicht allein – nicht zu Lebzeiten eines heute lebenden Menschen entstehen. Unsere menschliche Intelligenz ist eben mehr als kognitive Fähigkeiten – viele verschiedene Aspekte spielen eine Rolle: Interessen, Gefühle, Träume, Bewusstsein, Reflektion usw.
doppelpunkt: Wie ist eigentlich Ihr Gespräch mit dem Chatbot von Professor Ruf in der „Ideenschmiede KI“ verlaufen?Lukas: Der kleine Fuchs, den ich via Gespräch mit dem Chatbot in seinen Bau navigieren wollte, stand noch auf wackeligen Beinen am Ende meines Rundganges durch die „Ideenschmiede“. Ich bin mir aber sicher, dass er es durch viel Training schnell und sicher in seine Höhle
Lukas interagiert mit dem Chatbot. Foto: BMBF/Rickel schaffen wird. Besonders spannend an dem Projekt ist für mich, dass der Bot über seine eigene Existenz als Künstliche Intelligenz Auskunft gibt.
doppelpunkt: Wie sind Ihrer Einschätzung nach die Hochschulen für angewandte Wissenschaften bei F&E in Sachen KI aufgestellt? Welchen Beitrag können oder sollen sie leisten?Lukas: Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften spielen, wie auch die Universitäten, eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der nationalen KI-Strategie. Durch ihre anwendungsnahe Forschung sind sie häufig sehr nah an den Anforderungen der deutschen Industrie und regional häufig ein Innovationsmotor für den Mittelstand. Der Haushaltsansatz für das Programm „Forschung an Fachhochschulen“ hat sich seit 2005 von 10,5 Millionen auf 56 Millionen Euro im Jahr 2019 mehr als verfünffacht. Mehrere Fachhochschulen werden auch im Rahmen der KI-Strategie in Forschungsprojekten gefördert, so z.B. die FH Bielefeld, die Hochschule Ostwestfalen-Lippe, die Westfälische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen, die Westsächsische Hochschule Zwickau, die Hochschule Schmalkalden etc.
Natürlich gibt es auch bei den Fachhochschulen noch Weiterentwicklungspotenziale, die genutzt werden sollten. So sehen wir große Chancen in einer noch stärkeren regionalen Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen in die Forschungsagenden der Fachhochschulen. Durch die zielgerichtete regionale Vernetzung mit diesen Unternehmen können die Hochschulen auch signifikant zum Know-how-Transfer in die Praxis beitragen.
doppelpunkt: Was bringen die Wissenschaftsjahre hinsichtlich der Wissenschaftskommunikation? Was erhoffen Sie sich vom aktuellen Wissenschaftsjahr (ausgehend vielleicht von der Auswertung der vorangegangenen Jahre)?Lukas: Die Wissenschaftsjahre sind eine der größten deutschen Initiativen der Wissenschaftskommunikation. Das BMBF will damit eine Plattform für den Dialog zwischen Gesellschaft und Forschung schaffen und die Menschen stärker für Wissenschaftsthemen begeistern. In diesem Jahr engagieren sich bereits über 150 Partnereinrichtungen, die in mehr als 300 Veranstaltungen KI auf spannende Weise vermitteln. Dabei steht die Aufklärung über das Thema KI im Zentrum. Zusammen mit etablierten Formaten wie der MS Wissenschaft oder dem Kindermagazin „forscher“ erreichen wir jedes Jahr hunderttausende Menschen, von jung bis alt.
Darüber hinaus verstehen sich die Wissenschaftsjahre aber auch als „Ideenschmiede“ für neue Ansätze der Wissenschaftskommunikation. Wir fördern gezielt Pilotprojekte, die neue, auch wissenschaftsferne Zielgruppen adressieren. Und wir gehen bewusst an Orte, an denen man nicht unbedingt erwartet, auf Wissenschaft zu treffen. Die Ausstellung im BIKINI Berlin mit unserer Pop-up-Box zur KI ist ein gutes Beispiel dafür. Solche neuartigen und teils experimentellen Formate machen die Wissenschaftsjahre aus.
Weiterführender Link:
Deutsches Museum zeigt den Chatbot ebenfalls
Artikel vom 14.10.2019
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