Ein Tag in Heidelberg
von Miao Yu
Regelmäßig organisiert das Akademische Auslandsamt der Fachhochschule Ausflüge für die ausländischen Studierenden der FH. Das fördert die Integration, darüber hinaus lernen die Studierenden eine Menge über Geschichte und Kultur Deutschlands kennen. Im Wintersemester führte ein Ausflug nach Heidelberg.

Gute Laune in Heidelberg
Das Herz an Heidelberg verlorenIm Regen lernte ich den Neckar kennen. Es war frühmorgens, Heidelberg schlief noch ruhig. Als ich gerade dachte, ah, Heidelberg ist auch nur so lala, tauchte der Neckar im seidenleichten Nebel vor dem Busfenster auf. Ich war plötzlich atemlos. Was für ein märchenschöner Fluss! Die Häuser am Fluss sind aufgereiht wie Edelsteine einer Silberkette. Der Ausflug in die alte Universitätsstadt Heidelberg hinterließ bei allen Teilnehmern einen bleibenden Eindruck.
Vergangenheit und Gegenwart treffen sichDie alten Gassen führten uns, die neugierigen Gäste, direkt in die Altstadt. Obwohl die komplette Altstadt mit Ausnahme eines Steinhauses vor 300 Jahren von französischen Truppen verbrannt wurde, sind die „neuen Altbauten“ reizende Fotomotive. Die Heiliggeistkirche wirkt sehr bescheiden im Vergleich zum Kölner Dom, aber die moderne Glaskunst ist erstaunlich. Passt sie zu einer Kirche? Das wird wahrscheinlich immer Diskussionsthema bleiben. Und die große Unibibliothek ist auffälliger als die Universität selbst, ein riesiges gelbes Gebäude mit ebenso riesigen Lampen darin. Es regnete immer noch. Nach vielen Mühen erreichten wir das Heidelberger Schloss, das zu den bedeutendsten deutschen Kulturdenkmälern gehört. Stehend im Schlossinnenhof klang „Das Heidelberger Schloß“, ein Gedicht von Marianne von Willemer, im Ohr:
Wohin den Blick das Auge forschend wendet
In diesem blütenreichen Friedensraum,
Wird mir ein leiser Liebesgruß gesendet;
O freud- und leidvoll schönster Lebenstraum!Die Ruine stand mitten im Leben: Der Welt größtes Weinfass zeigt das Leben des Adels im Gegensatz von Glanz und Elend, der Schlossgarten erzählt die Geheimnisse und Einsamkeit der Frauen, die Terrasse lässt die große Liebe des Winterkönigs und der Winterkönigin in „Zur Gegenwart wird die Vergangenheit“ spüren.
Ein fantastischer Tag in einer wunderschönen Stadt
Die Sonne kam heraus. Nach dem Abschied von dem Schloss gingen wir über die alte Stadtbrücke auf dem Philosophenweg. Der Weg nach oben war dunkel, schief und nass. Das ist wahrscheinlich gut zum Nachdenken, dachte ich. Bei jeder erreichten Höhe entdeckten wir mehr und neue Seiten von Heidelberg. Ungeschützt gedeihen auf dieser Klimainsel, die zu den wärmsten Stellen Deutschlands zählt, die Exoten: japanische Wollmistel und amerikanische Zypresse, spanischer Ginster und portugiesische Kirsche, Zitrone und Granatapfel, Bambus, Palmen, Pinien. Auf dem Naturbalkon des Philosophenwegs leuchtete Heidelberg wie eine Seidenbildrolle mit vielen sienaroten Perlen – den Dächern der Häuser. Unbewusst war ich schon ein Teil von diesem Wunderbild geworden.
Der Tag flog nur so vorbei. Als wir mit müden Beinen wieder im Bus saßen, wusste ich, dass Heidelberg nicht nur eine wunderschöne Stadt, sondern auch „mein Heidelberg“ ist.
Artikel vom 07.12.2004
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