Zwei Chinesinnen in Deutschland
von Lars Gurow
„Deutschland wirkt immer so leer – das werde ich zu Hause als Erstes erzählen. Hier ist es immer so wie bei uns an Feiertagen, wo kaum jemand auf die Straße geht.“ Das ist nicht der einzige Unterschied, den die Studentinnen Zhou Li und Qiu Qin bei ihrem Studienaufenthalt an der FH Bonn-Rhein-Sieg gefunden haben.

Zhou Li (links) und Qiu Qin genießen trotz schlechtem Sommer ein Eis zu Füßen von Beethoven. Foto: Lars Gurow
Von Nantong nach Rheinbach
Schon bei den alltäglichsten Dingen werden die kulturellen Unterschiede sichtbar: Beide Studentinnen der Betriebswirtschaftslehre können nicht genau sagen, wie alt sie sind. Sie sind zwar nach unserem Kalender im Jahr 1981 geboren; ob sie nun aber 22 oder 23 Jahre alt sind, können sie nicht umrechnen, da in China der Mondkalender gilt. „Ich finde das auch nicht so wichtig“, sagt Zhou Li, „auf ein Jahr kommt es nicht an.“
Die beiden Studentinnen stammen aus dem chinesischen Nantong, wo sie Betriebswirtschaft und Handel studiert haben. Um ihre Abschlussarbeit zu schreiben, kamen beide für drei Monate an die Fachhochschule nach Rheinbach in den Fachbereich Wirtschaft. „Mir hat die Fachhochschule sehr gut gefallen. Ich mag das Gebäude, weil es so anders ist, als bei uns, außerdem waren alle Leute sehr nett zu uns“, sagt Qiu Qin. „Überhaupt finde ich, dass die Deutschen ein nettes Volk sind.“
Chinesische Küche und Gastgeschenke
Mit dem deutschen Essen hatten Zhou Li und Qiu Qin kaum Probleme. „Es gibt zwar Sachen, von denen ich nicht weiß, was es war, aber eigentlich hat mir alles geschmeckt“, sagt Qiu Qin, „nur mit Messer und Gabel zu essen war am Anfang nicht so leicht.“ Zhou Li war allerdings von den chinesischen Restaurants enttäuscht: „Da kann man zwar mit Stäbchen essen, aber so wie dort kocht in China niemand. Bei uns ist alles oft nur kurz gebraten, mit mehr Gemüse und weniger Salz.“ Das Thema Essen spielt auch bei den Mitbringseln eine große Rolle: „Ich nehme Haribo mit und Schokolade“, sagt Zhou Li, „aber die Schokolade muss schnell gegessen werden, in Nantong ist es im Sommer oft sehr heiß.“
Keine Jobgarantie
Beide erhoffen sich nach dem Deutschland-Aufenthalt einen „guten Job in China“, wie Qiu Qin sagt. Und was wäre ein schlechter? „Beispielsweise in den Textilfabriken zu arbeiten“, sagt Zhou Li. „Dass man einen Studienabschluss hat, bedeutet in China noch lange nicht, dass man einen Job in einem Büro bekommt.“ Trotzdem sind Zhou Li und Qiu Qin zuversichtlich: „China befindet sich im Aufbruch, vor allem wirtschaftlich. Wir werden bestimmt etwas finden.“
Artikel vom 09.12.2004
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