von Merlin Krüger
Der Tag #CharlieHebdo ging in Sekundenschnelle um die ganze Welt. Politiker instrumentalisierten kurze Zeit darauf die Vorfälle für ihre Wahlkämpfe. Die Diskussionen über Pegida sind neu entbrannt, und der AfD-Politiker Jörn Kruse sagte zu den Anschlägen: „Leider viel früher passiert, als ich gehofft habe.“
Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist bekannt für ihren Technikjournalismus/PR-Studiengang. Viele Absolventen haben gute Stellungen in renommierten Medienhäusern inne. Ob Umwelt, Erneuerbare Energien, Elektrotechnik oder Maschinenbau – die Studierenden werden zu Journalisten ausgebildet, die solche Themen wiedergeben können. Man lernt viel über Ingenieurwissenschaften, wichtige Akteure in der Nachhaltigkeitsbranche und das Journalistenhandwerk.
Doch Technik ist nur ein Teilwort in Technikjournalismus. Auch wenn viele Erstsemester noch sagen, dass sie die Technik bei der Einschreibung zu diesem Studiengang geflissentlich ignoriert hätten, bedeutet das nicht, dass im Laufe der Studienzeit der Journalismus ignoriert werden darf. Damit ist hier nicht die Vermittlung des journalistischen Handwerks gemeint, sondern die Auseinandersetzung und der Umgang mit aktuellen Themen aus Politik und Wirtschaft.
Medienethik anhand der Nachrichtenlage lehren
Die Professoren halten die Studierenden in den ersten Semestern dazu an, Zeitung zu lesen, sich einen Blog einzurichten und soziale Netzwerke zu verfolgen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Doch bieten dann die Vorlesungen keine Diskussionsplattform für die Darstellung: Sind Geschehnisse falsch dargestellt? Ist es moralisch richtig, dass beispielsweise der Mann, der die Attentäter von Paris zufällig filmte, wie sie im Vorbeigehen einem Polizisten in den Kopf schossen, dieses Video kurze Zeit später auf Facebook veröffentlichte, oder ist politisch korrekt, dass Parteien die Attentate für ihre Propaganda nutzen?
Man sitzt in der Vorlesung, schaut kurz seinen Twitterfeed an und bekommt zehn neue, spannende und relevante Artikel gezeigt.
Und da fragt man sich, warum der Dozent, der vorne einfach seine Folien durchklickt, nicht ein Wort darüber verliert. Nicht einmal fragt, wer etwas davon mitbekommen hat, wie es dazu kam oder was daraus folgen könnte.
Doch man sollte auch andersrum fragen: Warum bittet kein Student den Dozenten, das Thema journalistisch aufzugreifen? Möchten Sie nur den Lehrstoff konsumieren und gar nicht diskutieren, obwohl das eine gute Methode wäre, das Gelernte auch anzuwenden?
Der Bedarf ist da
Als Journalist ist es wichtig, Informationen zu sammeln, damit man sich selbst und der Gesellschaft ein Bild machen kann. Das bezieht sich nicht nur auf die Vorfälle in Frankreich, sondern zum Beispiel auch auf die Friedensnobelpreisträgerin Malala oder das Vorrücken der IS auf die türkische Grenze. Das sind Themen, die viele Menschen betreffen und es lehrreich wäre, diese zu behandeln, in einem Studiengang der eben doch auch Journalismus ist.
Selbst relevante Technikthemen werden oft ausgeblendet. Die Vorstellung der Google Glass oder dass in Amerika noch immer Fracking betrieben wird. Nicht zu vergessen, die ungeklärten Flugzeugabstürze in den vergangenen paar Jahren und merkwürdige Gerüche in den Kabinen. Auch diese Themen haben rege Diskussionen über Daten- und Umweltschutz oder die Zuverlässigkeit von Technik ausgelöst.
Im sechsten Semester werden im Kurs „Aktuelle Themen Journalismus“ Themenfelder im Fachjournalismus vertieft, was dann Umweltpolitisches oder Themen mit Technikbezug sein können. Das ist auch gut so, nur manche Studierenden finden das einfach zu spät. Eine Studierende aus dem sechsten Semester ist der Ansicht, dass ein Kurs wie „Aktuelle Themen Journalismus“ in jedem Semester angeboten werden sollte. Außerdem sei es besser, eine Nachricht anhand von weltpolitischen Themen zu erklären, anstatt anhand fiktiver Beispiele.
Andere Studierende würden es ebenfalls begrüßen wenn Professoren in ihren Vorlesungen auch aktuelle Nachrichten ansprechen würden, um eine Diskussion darüber anzustoßen. Ein Student sagt: „Die Vorfälle in Paris und ihre Folgen gehören künftig in die Vorlesungen, denn mit den Demonstrationen treten Menschen entschlossen für die Pressefreiheit ein.“
„Wenn Studenten fragen würden, wäre ich dankbar“
Es gibt aber auch die andere Seite, denn Studierende gleich welcher Fachrichtung tragen ein Maß an Eigenverantwortung. Gerade von angehenden Journalisten sollte man Eigeninitiative, Diskussionsfreudigkeit und eine kritische Haltung erwarten dürfen.
Susanne Keil ist Professorin für Journalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Auf die Frage, ob sie in Zukunft öfters aktuelle Themen ansprechen wird, sagt sie: „Ich werde darauf achten, viele Themen passen ja auch gut.“ Sie sei aber eher nicht der Typ, der groß auf die Schlagzeilen eingeht und „die großen Dramen spielen sich neben den Schlagzeilen ab“. Auch fügt sie hinzu, dass die Studierenden jederzeit von sich aus das Thema hätten ansprechen können.
Michael Krzeminski, Professor für Kommunikationswissenschaft und Innovationskommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, behandelte die Vorfälle in Paris in einer Mastervorlesung. Er ist der Meinung, dass sich seine Kolleginnen und Kollegen keinesfalls solchen Themen verschließen würden oder mangelnde Diskussionsbereitschaft zeigen. Im Gegenteil. „Wenn Studenten danach fragen würden, wäre ich dankbar“, so Krzeminski, „die Studierenden haben selber nie gesagt, dass sie so etwas wollen.“
Die Kölner Journalistenschule geht anders damit um und bietet zum Beispiel eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Unter drei“ an. Diese findet alle zwei Wochen statt und die Studierenden können mit namhaften Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern über aktuelle Themen sprechen. Ein solches Modell findet Krzeminski „absolut sinnvoll“ und „hochspannend“.
Es findet auch bei Susanne Keil Anklang: „Mein Ansatz ist: Alles ist politisch, und die Technik ist sehr politisch. Ich finde die Idee, dass man solche Diskussionen in Kleingruppen oder auf freiwilliger Basis durchführt, gut. In diesem Studiengang wäre es aber auch gut, sich auf Technikthemen zu fokussieren.“
Artikel vom 20.02.2015
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