Von Julia Ockenga
Vor Terroranschlägen will auch Hamlet schützen. Hamlet (Hazardous Material Localisation and Person Tracking) ist ein Sicherheitsassistenzsystem. Es unterstützt das Personal an Flughäfen oder Bahnhöfen. Der Namensvetter von Shakespeares tragischem Helden kann überall dort zum Einsatz kommen, wo viele Personen unterwegs sind, unter die sich Terroristen gemischt haben könnten. Wichtig ist ein bauliches Nadelöhr, durch das Passanten hindurch müssen – etwa eine Rolltreppe zur Abflughalle. Hier kann Hamlet zum Zuge kommen: Sprengstoffe erschnuppern und ermitteln, welche Personen gefährliche Stoffe bei sich tragen.
Dazu wird ein dichtes Netz aus chemischen Sensoren mit einer Vielzahl Laserscanner kombiniert. Die Daten beider Netze liefern den Sicherheitskräften Hinweise auf mögliche Übeltäter. So ein System entsteht nicht über Nacht. Während der einjährigen Laufzeit des Projekts wurden die Sensoren und ihr Zusammenspiel getestet. Bis Hamlet wirklich bei einer Einlasskontrolle etwa vor Fußballstadien zum Einsatz kommt, ist eine Menge zu tun.
Chemische Sensorik kommt aus Rheinbach
An dem Projekt haben Wissenschaftler vom Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften der Hochschule unter Federführung von Professor Peter Kaul mitgewirkt. Ihre Aufgabe war es, geeignete chemische Sensoren zu finden. Dafür haben sie am Markt befindliche Sensortypen auf Einsatztauglichkeit überprüft und für die Verwendung im Hamlet-System angepasst.
Das Sicherheitssystem nutzt zwei verschiedene Typen chemischer Sensoren. Sie reagieren mit Stoffen aus der Luft und ändern dabei ihr Verhalten. Dafür reichen schon kleinste Stoffmengen. So können auch Stoffe in Flaschen oder Tüten entdeckt werden, da beim Abfüllen stets Spuren außen oder an der Öffnung bleiben, die durch die Luft zu den Sensoren gelangen.
Halbleiter und Kristalle entlarven den Übeltäter
Kernelement des einen Sensortyps, der so genannten Quarz-Mikrowaage, ist ein Quarzkristall. Dieser schwingt gleichmäßig, sobald eine Wechselspannung angelegt wird. Solche Quarze werden auch in Uhren oder Computern als Taktgeber verwendet. Die Frequenz der Schwingung ist abhängig von der Masse des Kristalls. Haben sich Stoffe an seiner Oberfläche angelagert, ändert sich dessen Masse und damit die Frequenz, mit der er schwingt. Sensortyp Nummer zwei sind Halbleiter-Gas-Sensoren, die beim Stoffkontakt ihre Leitfähigkeit verändern.
Für beide Sensortypen gilt: Die Wissenschaftler können je nach Abweichung vom Normalwert ermitteln, welcher Stoff ihnen wohl unter die chemische Nase gekommen sein könnte. Die eigentliche Aufgabe dieser chemischen Sensoren ist es nicht, Sprengstoffe zu erschnüffeln, sondern „Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten zu ermitteln“, erläutert Christopher Becher, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich, „sie decken auf, wenn ein Passant einen Stoff mit sich führt, den man normalerweise nicht dabei hat.“ Das müssen jedoch keine Explosivstoffe sein.
Die Verantwortung bleibt beim Menschen
Ein zweiter Bestandteil von Hamlet kommt vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg. Dort geht es um ein paralleles Sensornetz: Laserscanner erstellen Bewegungsmuster der Personen im überwachten Gebiet. Diese Daten werden zusammen mit denen der chemischen Überwachung verarbeitet. FKIE-Forscherin Monika Wieneke spricht dabei von Datenfusion. „Das Ergebnis dieser mathematischen Fusion ist ein Wahrscheinlichkeitswert. Wir liefern Hinweise darauf, bei wem genau hingeschaut werden muss.“ Und auch Becher betont: „Letztlich müssen die Sicherheitskräfte bewerten, wie sie mit den Informationen umgehen.“
Artikel vom 14.09.2010
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