von Jochen Herrmann
Lignin: Für Pflanzen, als auch für den Menschen unverzichtbar. Es zählt neben Cellulose und Chitin zu den häufigsten Verbindungen der Erde. Es sorgt in erster Linie für die Festigkeit von pflanzlichem Gewebe. Foto: H.D.Volz - pixelio.de
Bedingt durch die bereits weit fortgeschrittene Globalisierung ist ein immer stärker steigender Bedarf an Kunststoff- und Chemiegütern zu verzeichnen. Dem steht eine endliche Menge fossiler Rohstoffe gegenüber. Um dieses Problem zu lösen, ist es dringend notwendig, Alternativen zu den klassischen Energielieferanten Erdöl und Erdgas beziehungsweise zur Kohle zu finden, da diese Stoffe als Rohstoff im Produktionsprozess benötigt werden und somit bislang unverzichtbar sind.
Im Herbst 2013 wurde im Rahmen des Landesprogramms FH-STRUKTUR für Fachhochschulen positiv über die Förderung des Forschungsverbundes „Nachhaltigkeit in Werkstoff- und Energietechnik“ (NaWETec) entschieden. Ein Teilprojekt innerhalb dieses Verbundes wird betreut von Margit Schulze und Steffen Witzleben, beides Professoren am Campus Rheinbach.
Abfall wird Rohstoff
Es beschäftigt sich mit der Umwandlung von Biomasse, also land- und forstwirtschaftlichen Produkten, in eine Vielzahl von Basischemikalien und deren Charakterisierung und Verarbeitung. Beim sogenannten „Pulping“ werde beispielsweise Holz mithilfe einer Säure oder Base versetzt, um die Bestandteile Cellulose, Hemicellulose und Lignin zu gewinnen, sagt Schulze. Diese wiederum dienen anschließend der Industrie beispielsweise zur Herstellung von Papierhilfsstoffen, Bindemitteln und Klebstoffen. Dieses Verfahren wird derzeit am Standort Rheinbach vorbereitet und soll in Zukunft auch in der Lehre angewandt werden.
Neben dem Vorteil der Erdölersparnis ergeben sich aber oft noch andere Vorteile für die Industrie. Sogenannte Oleochemikalien bilden die wichtigste Gruppe von Grundchemikalien in Nordrhein-Westfalen. Einige dieser Basischemikalien sind Tenside, die zur Herstellung von Waschmitteln und Seifen verwendet werden. Werden diese nun aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, sind die Produkte nahezu alle vollständig biologisch abbaubar und zudem hautverträglicher als die erdölbasierten Äquivalente.
Obwohl der Marktanteil chemischer Grundstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erst bei zehn Prozent liegt, bescheinigt Schulze dem Projekt sehr gute Zukunftsaussichten. Der geringe Marktanteil erkläre sich dadurch, dass sich Biomasse als sehr komplex in der Verarbeitung erwiesen habe. „Es ist insbesondere die technologische Aufbereitung der Rohstoffe, die gemeinsam mit Experten aus der Verfahrenstechnik auf den Weg gebracht werden muss“, mahnt die Professorin. Ausreichend Rohstoffe seien vorhanden: Lignin beispielsweise ist einer der wichtigsten Bestandteile von Pflanzen. Alleine bei der für die Papierherstellung notwendigen Zellstoffproduktion lägen circa 50 Millionen Tonnen isoliertes Lignin im Holz vor. Stofflich effektiv genutzt würden aber lediglich zwei Prozent davon.
Dies wurde in der 2012 erschienenen Roadmap Bioraffinerien, einem Projekt der Bundesregierung, dokumentiert. Der Plan sieht eine technische Weiterentwicklung und Optimierung von Biomasse-Raffinerien in Deutschland bis zum Jahr 2030 vor. Außerdem soll eine ähnliche Strategie für die Europäische Union umgesetzt werden. Das Konzept trägt den Titel „Joint European Biorefinery Vision for 2030”. Es wird also noch eine Weile dauern, aber sobald die Infrastruktur vorhanden ist, sollte einer kleinen industriellen Revolution nichts mehr im Wege stehen.
Lignin – Vom Rohstoff zum Kunststoff
Die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe sind Teil des -Programms „FH-Struktur“ NaWETec. Dieses Projekt solle als neuer Hochschulforschungsschwerpunkt ausgebaut werden. Mit 0,2 Prozent ist der Anteil von Biokunststoffen gemessen an der Gesamtkunststoffproduktion relativ gering. Eine jährliche Zuwachsrate von 20 Prozent macht allerdings den Trend der Entwicklung deutlich. Das Teilprojekt „LignoBau“, befasst sich mit der Herstellung Lignin-basierter Polymere für bauchemische Anwendungen. Beispielsweise Schäume, die als Dämmstoffe Anwendung finden und deren Eigenschaften hohen Ansprüchen genügen müssen.
Projekt mit biobasierten Polymeren in der Stammzellforschung
In einer Kooperation mit der Gruppe von Professor Dr. Edda Tobiasch und Partnern aus Industrie und Forschungseinrichtungen, werden biobasierte Polymere für die Stammzellforschung nutzbar gemacht, etwa als Trägermaterial für die Entwicklung von Gewebeersatz. Dieses Projekt wurde für den Innovationspreis 2013 der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nominiert.
Zur Person:
Im Jahr 1994 trat Professor Dr. Margit Schulze eine Stelle als Assistant Professor am Royal Institute of Technology in Stockholm an. Dort beschäftigte sie sich intensiv mit der Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Synthese bioabbaubarer Polymere für neue Verpackungslösungen, beziehungsweise biomedizinische Anwendungen.
1998 hatte sie zunächst die Leitung des Forschungs- und Entwicklungslabors Industrial Oils der Firma Evonik/ Degussa in Darmstadt übernommen. Dort forschte sie an der Entwicklung von Additiven (Zusätzen) für biobasierte Motoren-, Getriebe- und Hydraulikölen.
Seit 2001 ist sie als Professorin für Industrielle Organische Chemie und Polymere am Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften am Campus Rheinbach tätig.
Weiterführende Links:
Webseite von Professor Margit Schulze
Webseite von Professor Steffen Witzleben
Pressemitteilung zum Hochschulinnovationspreis 2013
Artikel vom 27.06.2014
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