von Marco Führer
Nichts zu befürchten: Ein Sensor vor der Säge unterscheidet zuverlässig zwischen Hand und Fleischstücken. Foto: Oliver Schwaneberg
Beide Erfindungen befinden sich also schon in der praktischen Anwendung. Zusätzlich wurden in diesem Jahr weitere Lizenzverträge verhandelt und momentan werden Patente auf zwei weiteren Forschungsgebieten eingereicht.
Zeitaufwendiges und komplexe Verfahren
Die Zahl der in den Datenbanken des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) einsehbaren Patente der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist allerdings deutlich höher als zwei. Zu beiden Erfindungen gibt es mehrere Patente, insgesamt sind es 15. Der Grund ist, dass ein Patent in jedem Land einzeln geprüft und angemeldet werden muss. Eine Ausnahme ist die Prüfung durch das Europäische Patentamt (EPA); diese findet zentral statt, so dass nur die Patentanmeldung länderspezifisch erfolgen muss. Mitglieder beim EPA sind nicht nur die Staaten der Europäischen Union, sondern auch mit der EU wirtschaftlich eng verknüpfte Staaten wie Schweiz, Norwegen und die Türkei. Die Zusammenarbeit wird im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) geregelt. Ein wichtiges Kriterium für die länderspezifische Patentanmeldung ist die Relevanz des Marktes für den Produktabsatz. Der Fingerabdruck-Scanner ist beispielsweise nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Vertragsstaaten des EPÜ und den Vereinigten Staaten von Amerika patentiert.
Fingerabdruck-Scanner zum Schutz vor Manipulation
Das Team um Norbert Jung, Oliver Schwaneberg und Dietmar Reinert vom Fachbereich Informatik beziehungsweise dem Institut für Sicherheitsforschung zeichnet für die die Patente betreffenden Erfindungen verantwortlich. Bei den Erfindungen handelt es sich zum Einen um einen Fingerabdruck-Scanner, der gegen die Manipulation durch Kunstfinger oder Ähnliches abgesichert ist. Fingerabdruck-Scanner sind grundsätzlich keine Neuerung – aber der Schutz vor Manipulation durch künstliche Finger ist es. Ein Patent müsse nicht unbedingt revolutionär sein, erklärt Udo Scheuer, Leiter des Zentrums für Wissenschafts- und Technologietransfer. Die Innovation beim Fingerabdruck-Scanner liege in der Beleuchtung mit drei Wellenlängen und kluger Signalverarbeitung.
Unfallvermeidung an Kreissägen
Die andere Erfindung ist eine Vorrichtung an Kreissägen, die zwischen Werkstoff und menschlichem Gewebe unterscheidet. Unfälle sollen so vermieden und die Arbeitssicherheit erhöht werden. Die vielseitige Einsetzbarkeit der Vorrichtung überzeugte mehrere Drittmittelgeber, so bekundete unter anderem die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ihr Interesse und konnte schließlich auch als Lizenzinhaber und Forschungspartner gewonnen werden. Die DGUV sieht besonderes Potenzial bei der Unfallvermeidung. Denn immerhin geschahen laut Statistik im Jahr 2010 rund 2000 Unfälle in Handwerk und Industrie teils mit abgetrennten Gliedmaßen durch unsachgemäße Bedienung von Kreissägen. Basis beider Erfindungen ist die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) – ein Verfahren zur Bestimmung des Wassergehalts verschiedener Materialien.
Patente kosten und bringen Geld
Durch Patente wird eine Nachahmung und kommerzielle Nutzung der Erfindung durch mögliche Konkurrenten strafbar, legal bleibt indes die private Nutzung und weiterführende Forschung. Die Laufzeit eines Patents beträgt 20 Jahre.
Die Patentanmeldung kann für Erfinder eine große Hürde darstellen. Bis zur Erteilung eines Patents können mehrere Jahre vergehen und eine Patentanmeldung allein in Deutschland kostet bereits mehrere tausend Euro, zusätzlich fallen jährlich weitere Kosten an. Zudem muss eine Erfindung fünf Kriterien erfüllen, um als Patent zugelassen zu werden. Diese Kriterien sind die Technizität, also sinngemäß der technische Charakter, der Neuheitsfaktor, die zugrunde liegende erfinderische Tätigkeit, die Möglichkeit der gewerblichen Nutzung und die Ausführbarkeit der Anmeldung.
Die Patentanmeldung und somit das finanzielle Risiko der Hochschule zu überlassen, kann also für Wissenschaftler attraktiv sein. Diese werden im Gegenzug an den Erlösen beteiligt und als Patentinhaber genannt. Hilfe bei der Patentanmeldung und Patentverwertung sowie unterstützende Dienstleistungen bietet das Zentrum für Wissenschafts- und Technologietransfer der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.
Patente als Referenz
Die Patentierung von Erfindungen gewinnt zunehmend an Bedeutung, sowohl für Erfinder selbst, als auch für die Hochschule. Sie stellen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar, um die Unterstützung von Drittmittelgebern zu gewinnen. Auch im wissenschaftlichen Umfeld dienen Patente zunehmend als Referenz. Grund ist das in den vergangenen Jahren gestiegene Bewusstsein für die Gleichwertigkeit von wissenschaftlichen Publikationen und eingereichten Patenten bei der Promotion.
Artikel vom 27.06.2014
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