Interview: Emma Gaubrich
Wirtschaftsprofessorin Rosemarie Stibbe: „Erste Erfolge bei der Umsetzung sind schon heute feststellbar.“ Foto: Emma Gaubrich
doppelpunkt: Frau Stibbe, was hat Sie dazu bewegt, dieses Buch zu verfassen?
Rosemarie Stibbe: Ich beobachte seit Jahren, dass der Umdenkprozess in Richtung Nachhaltigkeit bereits in vollem Gange ist. Viele Unternehmen haben sich auf den notwendigen Umgestaltungsprozess eingestellt. Das hat zur Folge, dass im Bereich Nachhaltigkeit aktuell Experten gesucht werden. Als Professorin für das Schwerpunktfach Nachhaltiges Management ist es meine Aufgabe, die Studierenden innovativ und aktuell auszubilden. Das Buch ist das Ergebnis meines Forschungssemesters. Es ist zudem ein guter Weg, die interessierte Öffentlichkeit sowie Fachkollegen und -kolleginnen aufzuklären. Ich hoffe, dass ich damit ein wenig zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung beitragen kann.
doppelpunkt: Das im Buch beschriebene Management-System soll dazu beitragen, die Sustainable Development Goals – die SDGs – der Agenda 2030 zu überwachen. Gibt es erste Erfolge?
Rosemarie Stibbe: Die Daten, die eine Fortschrittsüberwachung der Ziele erlauben, müssen erst noch erhoben werden. In circa zwei Jahren werden die Statistikkommission der Vereinten Nationen sowie das deutsche Statistische Bundesamt die ersten Ergebnisse publizieren. Die Europäische Kommission und die deutsche Bundesregierung haben sich zur Umsetzung der Agenda 2030 verpflichtet und werden ebenfalls vor den Vereinten Nationen hinsichtlich der Umsetzungserfolge Rechenschaft ablegen.
Erste Umsetzungserfolge sind aber in der Tat schon heute feststellbar. Die erfolgreiche Steuerung der globalen SDGs setzt voraus, dass diese globalen Ziele vertikal und horizontal auf die Staaten-, Länder- und Unternehmensebene bis in die globalen Lieferantenketten ausgerollt werden.
Die von der Statistikkommission der Vereinten Nationen eingesetzte Expertengruppe „Interagency Expert Group on SDGs-Indicators“ hat für die globale Ebene ein System mit bisher 231 globalen quantitativen Indikatoren entwickelt, das im Juni 2016 erstmals durch die Kommission der Vereinten Nationen veröffentlicht wurde. Diese Indikatoren müssen nun mit Datenmaterial und Zahlen gefüllt werden, weshalb nun alle Staaten aufgefordert sind, belastbare Daten zu liefern.
doppelpunkt: Wie wird der Agenda-2030-Prozess auf Unternehmensebene sichergestellt?
Rosemarie Stibbe: Die OECD-Leitlinien aus dem Jahre 2011 und die aktuelle CSR-Strategie verlangen von Unternehmen die Implementierung von Risikomanagementsystemen, die die globale Sorgfaltspflicht in den Lieferantenketten sichern. Indem Unternehmen vor der Lieferantenauswahl sicherstellen, dass die direkten und indirekten Zulieferer den sozialen und ökologischen Vorgaben nachkommen, wird hier bereits ein wesentlicher Beitrag geleistet.
Das Umweltmanagementsystem EMAS wurde um einen neuen Risikomanagementansatz ergänzt und kommt als globaler und nationaler SDG-Fortschrittsindikator zum Einsatz. Zahlreiche Unternehmen, Behörden und Hochschulen verweisen heute auf ihre EMAS-Implementierung. Die Zielsetzung der Bundesregierung, die Anzahl der EMAS-Organisationen mehr als zu verdoppeln, könnte daher erreicht werden.
doppelpunkt: Worin liegen die Schwierigkeiten, solche Managementsysteme weltweit umzusetzen?
Rosemarie Stibbe: In den vergangenen Jahrzehnten wurde deutlich, dass die komplexe Thematik der Nachhaltigkeit in ihrem Gesamtkontext nur schwer zu vermitteln ist. Erschwerend kommt hinzu, dass für viele Menschen noch nicht einmal Grundbedürfnisse wie Ernährung und ärztliche Versorgung gesichert sind – da ist kein Platz für Themenstellungen wie Nachhaltigkeit.
doppelpunkt: Welche Chance sehen Sie für die Zukunft bezüglich der Nachhaltigkeit?
Rosemarie Stibbe: In der Agenda 2030 heißt es: „Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, Armut zu beseitigen, und gleichzeitig vielleicht die letzte Generation, die noch die Chance hat, unseren Planeten zu retten.“ Ich denke, dass die Menschheit diese Chance ergreifen wird!
Weiterführende Links:
Professorenseite Rosemarie Stibbe
Das Buch „Globales Life-Cycle Controlling“ beim Verlag
Neueres Interview mit R. Stibbe zum Verhältnis Life-Cycle-Controlling und Nachhaltigkeit
Artikel vom 25.07.2017
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