Von Konstantin Zurawski
Essen, spielen, lernen - die Offenen Ganztagsschulen bieten dies alles und werden kritisch beäugt. Eine wissenschaftliche Untersuchung stellte jetzt gute Noten aus. Foto: privat
„Auf der Sonderschule wird während der Pause der Schulhof abgeschlossen, das war schon eine Erfahrung“, sagt Moritz Wiechert, Student der Wirtschaft im sechsten Semester, und zieht als Resümee: „Ich habe viel gearbeitet und viel Spaß gehabt.“ 19 Studierende der Wirtschaft in Sankt Augustin waren an einem Praxisprojekt beteiligt, das mit der klassischen Betriebswirtschaftslehre auf den ersten Blick wenig zu tun hat. Die angehenden Kaufleute saßen nicht am runden Tisch, um einen Marketingplan auszuarbeiten - etwa um Whiskey von Schottland möglichst gewinnbringend in die USA zu verkaufen.
Offene Ganztagsschulen auf dem Prüfstand
Nein, es ging um nichts Materielles, sondern um Bildung - und zwar in Form von offenen Ganztagsschulen in Bonn. Solche Schulen bieten nachmittags zum Beispiel Theaterspielen oder Sport an und ermöglichen so eine Ganztagsbetreuung der Kinder. Auch Handwerken können die Kinder lernen - und bekommen dies nicht unbedingt von einem Lehrer beigebracht. Ein gelernter Schreiner könnte den Kindern beibringen, wie man ein Regal baut - ein weiterer Unterschied von klassischen Vormittags- zu offenen Ganztagsschulen, von denen es in Bonn inzwischen 20 gibt.
BWL mal anders
Eva Jacobsen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Wirtschaft Sankt Augustin, hatte die Idee für das Projekt: Wirtschafts-Studierende sollten Zahlen und Daten, ganz besonders die Finanzierung von offenen Ganztagsschulen in Bonn ermitteln und analysieren. Moritz Wiechert fand diese Idee interessant und entschied sich deshalb für das Projekt, in dem er „sein betriebswirtschaftliches Wissen mal auf einem anderen Gebiet anwenden konnte“. Konventionelle BWL sei das nicht gewesen, sagt Wiechert, aber man habe durchaus finanzielles Hintergrundwissen haben müssen, um alle Finanzaspekte der öffentlichen Hand verstehen zu können.
Detailreiche Erhebung
Die 19 Projektteilnehmer haben vier Themenbereiche gebildet und für jeden Bereich einen Fragebogen entwickelt, den die Ganztagsschulen erhalten haben. In Zweier-Teams haben die Studierenden dann jede dieser Schulen in Bonn besucht, um vor Ort Antworten zu erhalten. „Es war nicht immer ganz einfach, die richtigen Ansprechpartner zu bekommen“, sagt Wiechert, „aber meistens wurden wir unterstützt in unserer Arbeit.“ Insgesamt haben die Studierenden eine Datenmenge erhoben, die 70 Präsentationsseiten füllt. Auf denen findet man zum Beispiel die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Kinder in den Schulen oder den durchschnittlichen Stundenlohn einer Honorarkraft, die eine Übungsgruppe leitet.
Hilfreiche und überraschende Ergebnisse
Über die Ergebnisse freut sich vor allem das Stadtbüro OGS Bonn. „Eine solche Erhebung ist sehr nützlich und jetzt können wir mit diesem Wissen besser planen und die offenen Ganztagsschulen verbessern“, sagt Sabine Lukas, Leiterin des Stadtbüro OGS Bonn. Aber auch die Studierenden profitierten von diesem Projekt. „Ich habe verdammt viel Zeit investiert, aber auch sehr viel Spaß gehabt. Es war sehr interessant, eine andere Art von Schule kennen zu lernen. Außerdem haben die Schulen Overheadkosten von nur fünf Prozent, da können die meisten Firmen nur von träumen“, sagt Wiechert und schmunzelt - denn da dachte er dann doch wieder an Gewinnmaximierung und Kostensenkung.
Artikel vom 24.02.2006
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