Von Ina Briechle
Rund 100 Teilnehmer waren auf der zweiten Medizintourismuskonferenz in Sankt Augustin. Foto: Jens Juszczak
Mehrere Tausend Patienten aus dem arabischen und russischen Raum waren im vergangenen Jahr zur Behandlung in deutschen Kliniken. Sie kommen hierher, um Therapiemöglichkeiten oder technische Ausstattung zu nutzen, die es in ihren Heimatländern noch nicht gibt. In erster Linie schätzen sie die gute Ausbildung des medizinischen Personals, die hohen hygienischen Standards sowie die sichere Atmosphäre in Deutschland. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis empfinden die meisten als vernünftig. Eine Behandlung in anderen europäischen Ländern wäre häufig deutlich teurer.
Professoren der Hochschule waren beteiligt
Professor Bernd Ebel und Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg beschäftigen sich schon seit längerem mit dem Thema „Patienten aus dem Ausland“. Gemeinsam mit Professor Hans-Peter Bastian aus Troisdorf veranstalteten sie im September 2009 zum zweiten Mal eine Medizintourismus-Konferenz an der Hochschule in Sankt Augustin. Rund 100 Teilnehmer waren bei der zweitägigen Veranstaltung dabei und nutzten die Möglichkeit, sich zu informieren sowie Kontakte zu knüpfen.
Die Bahandlung mit Urlaub verbinden
„Das ist ein großer Vertrauensbeweis für den Gesundheitsstandort Deutschland und die deutschen Mediziner“, findet Referent Khaled Guizani, „wenn ein Schwerkranker eine so weite Reise zur Behandlung antritt, auch wenn es vielleicht die letzte für ihn sein könnte.“ Guizani ist Leiter einer gemeinsamen Marketingplattform mehrerer Kliniken aus dem Bonner Raum, die Patienten aus dem Ausland betreuen. Oftmals werden die hier behandelten arabischen oder russischen Patienten zur seelischen Unterstützung von mehreren mitreisenden Familienmitgliedern begleitet. Auf diese Weise wird eine für den Erkrankten medizinisch notwendige Reise kombiniert mit einem längeren Urlaub in Deutschland für den Rest der Familie.
Verschiedene Agenturen haben sich auf die Betreuung von Patienten aus dem Ausland sowie deren Begleitpersonen spezialisiert und arbeiten mit Kliniken zusammen. Sie helfen bei der Wahl eines geeigneten Krankenhauses, unterstützen bei der Organisation der Reise und stellen ein Rahmenprogramm mit Ausflügen, Einkaufstouren oder Wellness für mitreisende Angehörige sowie Patienten nach rascher Genesung zusammen. Ebenso spielt die Vermittlung von Dolmetschern und Übersetzern eine wichtige Rolle.
Umgang mit Fremdheit will gelernt sein
Darüber hinaus bieten einige Dienstleister auch spezielle interkulturelle Schulungen für Klinikmitarbeiter an. Dort gibt es Tipps zum Umgang mit Personen aus anderen Kulturkreisen. Häufigster Kritikpunkt arabischer Patienten ist das Essen auf deutschen Stationen. Entweder sie befürchten, dass es nicht „halal“ sei, also nicht den islamischen Vorschriften entspricht und beispielsweise Produkte vom Schwein enthält. Oder es schmeckt ihnen einfach nicht. In jedem Fall empfiehlt es sich für die Krankenhäuser, den ausländischen Gästen Gelegenheit zur Ausübung ihrer Religion zu geben und für Zugang zu Zeitungen sowie Fernsehsendern in der jeweiligen Landessprache zu sorgen.
Nicht jeder Patient aus dem Ausland ist reich
Entgegen dem Klischee handelt es sich nicht nur um extrem reiche Personen, die zur Therapie hierher kommen. In Saudi-Arabien und den Golfstaaten kann jeder Bürger bei seiner Regierung oder bei der königlichen Stiftung einen Antrag auf Finanzierung einer medizinischen Behandlung im Ausland stellen. Die Bezahlung erfolgt dann häufig über die Botschaften der jeweiligen Länder. Auch übernehmen große Konzerne manchmal die Behandlungskosten für ihre Mitarbeiter. In all diesen Fällen erfolgt die Abrechnung in Deutschland natürlich als Privatpatient, was für die Krankenhäuser hierzulande eine attraktive zusätzliche Verdienstmöglichkeit bietet.
Inhalte der Konferenz
Auf der Konferenz hatten die Teilnehmer Gelegenheit zu erfahren, wie deutsche Kliniken sich auf dem Markt internationaler Patienten etablieren können. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg stellte eine Marktstudie über das Thema vor und präsentierte Möglichkeiten zum Auslandmarketing.
Die weiteren Referenten legten die aktuelle Situation im Bereich des Medizintourismus dar, schilderten ihre bisherigen Erfahrungen damit und gaben den Zuhörern Tipps für die eigene Planung. In zwei Seminaren erhielten die Anwesenden eine kurze Schulung im Umgang mit Personen aus anderen Kulturkreisen. Damit in Zukunft kein muslimischer Privatpatient mehr in einem deutschen Krankenhaus verärgert wird, weil er aus Unwissenheit ein Joghurt mit Schweine-Gelatine serviert bekommt.
Artikel vom 24.02.2010
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