von Paul Rohleder
Symbolbild Blockchain: Knotenpunkte eines dezentralen, weltweiten Netzwerks. Foto: Pixabay
Grundsätzlich ist die Blockchain eine Art Protokoll, das Transaktionen jeder Art – nicht nur monetäre – unabhängig von zentralen Steuerungsinstitutionen zuverlässig und manipulationssicher dokumentiert. Bei blockchainbasierten Anwendungen wie Kryptowährungen (Bitcoin, Ethereum und ähnliche), wird die zentrale Steuerungsinstanz (hier: die Bank) durch ein Netzwerk aus Teilnehmern ersetzt: Alle Teilnehmer haben dabei ständigen Zugriff auf alle jemals in dem Netzwerk erfassten Daten und Transaktionen, die fortlaufend synchronisiert und verschlüsselt in der Blockchain festgehalten werden. Für gewöhnlich verwaltet die Bank sämtliche Zahlungsströme und hat alleinigen Überblick, wer wem wann wie viel überweist. Dies führt zu Machtkonzentration auf Seiten der Zentralinstitution und erfordert ein hohes Vertrauen in ihre Verwaltungstätigkeit. Bei Blockchain-Netzwerken wird dieses Vertrauen ersetzt durch eine gemeinschaftliche Kontrollmöglichkeit aller Teilnehmer.
Vielversprechende Möglichkeiten der Sharing Economy
Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 und einem hierdurch verbreiteten Misstrauen in das Bankwesen fiel die Idee eines dezentralisierten Währungssystems auf besonders fruchtbaren Boden. Die Problematik um zentrale Steuerungsinstanzen kann aber auf viele weitere Bereiche des täglichen Lebens übertragen werden – so eben auch auf das zunehmend ökonomisierte Geschäftsmodell der Sharing Economy. Plattformen wie Airbnb, ShareNow oder Fairleihen müssen Gewinne erwirtschaften, um ihren Aufwand zu decken und sich institutionell selbst zu erhalten. In ländlichen Gebieten werden solche Angebote aus Gründen der fehlenden Wirtschaftlichkeit daher oft nicht bereitgestellt, obwohl eine Nachfrage vorhanden wäre.
Während ein Wertezuwachs auf solchen Tauschmärkten meist gänzlich in die Hände der betreibenden Unternehmen wandert und oft zu monopolistischen Stellungen führt, bietet ein dezentrales System die Möglichkeit, Gewinne innerhalb der Nutzerschaft zu teilen. Die Abhängigkeit von privatwirtschaftlichen Intermediären wird so obsolet und der Zwang zur Wirtschaftlichkeit entfällt, zumindest teilweise. Dadurch kann auch das Angebot nachhaltiger Mobilitätskonzepte in ländlichen Gebieten gefördert werden.
Forschungsprojekt in Kooperation mit der Universität Siegen
Das Team rund um Paul Bossauer vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften in Sankt Augustin entwickelt derzeit in Kooperation mit der Universität Siegen den Prototyp einer Sharing-App für Mobilität, die bereits in diesem Jahr bereitstehen soll. Sie basiert auf der evan.network-Blockchain, was die Implementierung sogenannter Smart Contracts erlaubt. Basisfunktionen wie Buchung, Bezahlung, Versicherungsabwicklung und Ähnliches können automatisiert, sicher und dezentral abgewickelt werden. Das Ergebnis wird der Öffentlichkeit als Open-Source-Projekt zur Verfügung gestellt, und die kosten- und arbeitsintensive Entwicklungsarbeit kann von allen Interessierten als Grundlage für geteilte Mobilitätsplattformen genutzt werden.
Generell ist die Handhabung einer solchen dezentralen Anwendung von herkömmlichen Apps wie Nextbike, stadtmobil oder Lime kaum zu unterscheiden. Die zugrundeliegende Technologie und daraus resultierende Möglichkeiten sind aber sehr vielfältig. Marktmonopole können durch Blockchain-Netzwerke aufgebrochen und diverse alltägliche und wirtschaftliche Bereiche fairer gestaltet werden.
Artikel vom 23.06.2020
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