Warum schlaue Frauen dumme Männer heiraten
von Andreas Wiesehahn
Grundlage vieler wirtschaftswissenschaftlicher Theorien ist ein Verständnis des Menschen als rationale, nutzenmaximierende Entscheidungsmaschine: als Homo oeconomicus. Demnach verfolgt er auf Basis einer fehlerlosen Verarbeitung von Informationen konsequent und egoistisch seine zumeist finanziellen Ziele. Dieses Verständnis fand Eingang etwa in die Wissenschaftstheorie, die Entscheidungstheorie oder die Wirtschaftsethik.

Wenn es so einfach wäre: das Gehirn als mechanische Apparatur, die von ineinandergreifenden Zahnrädern angetrieben wird. Foto: Colourbox
Wie lässt es sich dann aber theoretisch erklären, dass Unternehmer, wohlwissend, dass sie einmal ihr Unternehmen an einen Nachfolger übergeben müssen, sich sehr häufig zu spät um die Nachfolgegestaltung kümmern (1)? Warum werden Entscheidungen erfahrener deutscher Richter in Experimenten, unter bestimmten Bedingungen, von Würfelergebnissen beeinflusst (2)? Und, um zum Thema zu kommen: Warum heiraten hochintelligente Männer tendenziell weniger intelligente Frauen?
Unternehmerisches, richterliches, männliches oder besser: menschliches Verhalten ist nicht streng rational, sondern anfällig für systematische Fehler. Einfache Entscheidungsheuristiken, die auf menschlichen Erfahrungen, Assoziationen, Ähnlichkeiten und unbewussten Handlungen beruhen, können oft menschliches Verhalten besser erklären als die wirtschaftswissenschaftliche Rationalitätsannahme.
Was nicht gleich einleuchtet, erscheint uns falschWas Psychologen schon seit geraumer Zeit beobachtet haben, wurde durch die Arbeiten des Wirtschaftsnobelpreisträgers Daniel Kahneman, dem wir diese Beispiele verdanken, im wirtschaftlichen Kontext erklärt. Wir lassen uns zum Beispiel bei der Abschätzung einer Zahl von einer anderen willkürlichen Ziffer aus einem völlig anderen Zusammenhang in unserer Schätzung beeinflussen (Ankereffekt).
Einfache Ursache–Wirkungsbeziehungen (Kausalitäten) sind unserem schnellen menschlichen Denken naheliegend und erscheinen uns daher tendenziell richtig. Komplexe, schwer verständliche und gedanklich mühevoll zu erarbeitende Beziehungen zwischen Variablen (Regression) wirken nicht unmittelbar einleuchtend und erscheinen uns daher eher falsch. Assoziationen werden aufgrund von Vorerfahrungen mit bestimmten Informationen aktiviert (Primingeffekt), und wir schließen von bekannten Eigenschaften einer Person auf die unbekannten Charakterzüge (Halo-Effekt). Diese Heuristiken können helfen, wirtschaftliches Handeln besser zu erklären, zu beeinflussen und zu prognostizieren.
Warum heiraten also hochintelligente Männer tendenziell weniger intelligente Frauen?
Nun, intuitiv und schnell gedacht, erscheinen kausale Erklärungen naheliegend: Weil die Männer in ihrem Eheleben ewige Diskussionen mit gleichintelligenten Frauen vermeiden wollen. Vielleicht auch, weil intelligente Frauen einer Ehe mit gleichintelligenten Männern aus dem Weg gehen. Oder aus vielen anderen Gründen, die uns einfach, bekannt und daher einleuchtend erscheinen. Solch eine Ursache–Wirkungsbeziehung, die unserem menschlichen Denken zuerst entspringt, erscheint überzeugender als eine beweisbare, mathematische Gesetzmäßigkeit: Wenn zwei Variablen nicht perfekt miteinander zusammenhängen (korrelieren), wie etwa das Einkommen einer Familie und die letzten Ziffern ihrer Telefonnummer oder die Anzahl Störche und die Anzahl von Neugeborenen in einer Region, kommt es zu einer Regression zum Mittelwert.
Unter der Annahme, dass Männer und Frauen im Durchschnitt nicht unterschiedlich intelligent sind und der Zusammenhang zwischen der Intelligenz von Eheleuten nicht perfekt ist, ist es mathematisch folgerichtig, dass hochintelligente Männer mit Frauen verheiratet sind, die im Durchschnitt weniger intelligent sind (3). Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche.
Literatur:- Kahneman, D.: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012 (Anm. 2: S. 159 f.; Anm. 3: S. 224 ff.)- Wiesehahn, A.: Empirische Studie: Erwartungen an die Unternehmensnachfolge, in: Wegmann, J.; Wiesehahn, A. (2015): Unternehmensnachfolge: Praxishandbuch für Familienunternehmen, Wiesbaden 2015, S. 15 - 45 (Anm. 1: S. 25 ff.)Zum Autor:
Andreas Wiesehahn ist Professor für Rechnungswesen und Controlling am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Er gehört außerdem dem Vorstand des BRS Instituts für Internationale Studien an.
Artikel vom 25.07.2016
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