Von Udo Scheuer
Die anderen Ingenieure, die Pkws bauten, schauten verächtlich auf ihn, den Lastwagenbauer, herab und mochten ihn nie als ihresgleichen anerkennen. Immer hatte der Ingenieur deswegen davon geträumt, Pkws zu bauen. Schnittige Sportwagen sollten es sein oder wenigstens wuchtige Vans für die ganze Familie.
Und so begann er, seine Lastwagen etwas kleiner zu machen und dafür etwas windschlüpfriger. Und auch jetzt waren viele Kunden voll des Lobs. Zwar konnten sie nicht mehr ganz so viel Fracht bewegen, aber dafür waren sie viel schneller am Ziel. Da frohlockte der Ingenieur und rief: „Ich will kein Lastwagenbauer mehr sein. Man soll mich »Autobauer« heißen!“
Und so geschah es. Seine Vorarbeiter stimmten ihm zu, und einer unter ihnen stieg auf die hohe Leiter und nahm das das große Schild „Lastwagenfabrik“ ab, das über viele Jahre gute Dienste geleistet hatte, und brachte eine neues, glänzendes Schild „Autofabrik“ an. Manche Kunden nickten freundlich, weil ihnen die neuen, kleineren Lastwagen gute Dienste leisteten. Andere lachten den Ingenieur aus, weil aus einem Lastwagen kein Sportwagen werde, nur wenn man ein Schild austausche.
Den Ingenieur focht das nicht an. Immer wenn jetzt seine neuen kleinen Lastwagen die Fabrik verließen, lächelte er ihnen wohlwollend nach und flüsterte: „So bin ich doch ein rechter Autobauer geworden.“
Artikel vom 06.02.2009
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