Roboter: Unkrautbekämpfer der Zukunft?
von Elif-Nilüfer Sen
Der mühsame Kampf gegen Unkräuter könnte bald der Vergangenheit angehören. Die Bonner Wissenschaftler Tim Wigbels und Julio Pastrana entwickeln einen autonomen Roboter, der mit Hilfe eines Lasers das unerwünschte Beikraut auf dem Feld beseitigen kann.

Tim Wigbels und Julio Pastrane (beide Uni Bonn) entwickeln fürs Jäten von Unkräutern einen intelligenten Roboter. An ihrem Projekt arbeiten sie mit einer EXIST-Förderung des Bundeswissenschaftsministeriums. Foto: Alexander Schwaiger/hfr
In der Luft liegt der Geruch von Dünger und Schweiß. Ein typischer Sommertag auf dem Feld. Die heiße Mittagssonne brennt auf das Gesicht der jungen Gemüsegärtnerin Lucy Hilsenbek, die mit beige-schwarzer, langer Arbeitshose und zusammengebunden Haaren auf einem Pastinakenfeld kniet. Es ist ruhig hier, friedlich. Rechterhand liegt ein Hühnergehege, das direkt an ein Kürbisfeld voller gelber Blüten grenzt. Das Gegacker der vielen Hühner im Gehege und das Summen der umherschwirrenden Bienen und Bremsen sind die einzigen konstanten Geräusche, nur ab und zu fliegt noch ein Flugzeug über die Felder. Unzählige Weizen- und Dinkelfelder erstrecken sich hinter Hilsenbek, wie eine Patchwork-Decke. Nur mit schwarzen Handschuhen bewaffnet, versucht Hilsenbek das Unkraut zu jäten, um den Pastinaken eine Chance zu geben. Ein Roboter könnte ihr in Zukunft vielleicht einen Großteil der Arbeit abnehmen.
Unkraut ist hartnäckigIn der biologischen Landwirtschaft werden ganz bewusst keine chemischen Waffen wie etwa Herbizide verwendet. Das macht es jedoch weitaus schwieriger, den Unkräutern entgegenzuwirken. Der Roboter, der von den Wissenschaftlern Tim Wigbels und Julio Pastrana vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn entwickelt wird, setzt genau an dieser Stelle an. Das System erkennt mittels einer Kamera das Unkraut und entfernt es mit einem kurzen, aber starken Laserimpuls. Um Nutzpflanze von Unkraut unterscheiden zu können, wird die Kamera mit Bildverarbeitungsalgorithmen ausgestattet, die von der Universität Bonn zur Verfügung gestellt werden. Wichtig hierbei ist, dass die Kamera auch Unkräuter erkennt, die unter Artenschutz stehen, denn diese dürfen weiterwachsen.
Der Einsatz des Lasers selbst ähnelt einem kurzen roten Blitzschlag, der die anvisierte Pflanze verbrennt. Das Gerät ist so präzise, dass die Unkrautpflanze genau am Stiel getroffen wird, so dass nur dieser vernichtet wird und die Blätter der Pflanze lose auf dem Acker liegen. Das System kann an einer Zugmaschine verwendet werden. Doch Hauptziel ist es, einen autonomen Roboter zu entwickeln und diesen mit dem System auszustatten. Er soll im Akkubetrieb laufen und somit selbständig Tag und Nacht arbeiten können.
Das Funktionsprinzip des Unkraut jätenden Roboters. Quelle: Escarda„Im biologischen Anbau wäre es am wichtigsten, wenn man noch andere Möglichkeiten zur Unkrautbekämpfung hätte, die nicht so arbeitsintensiv wären wie das Jäten von Hand“, sagt Hilsenbek und streckt sich. Wenn man über das komplett von Unkraut überwucherte Pastinakenfeld schaut, das derzeit an einem grünen Teppich erinnert, kann man sich vorstellen, dass nicht viele Menschen diese Arbeit machen wollen. Schon die Unterscheidung von Pastinakenpflanze von mancher Unkrautart ist mit bloßem Auge schwer. Hilsenbeck kriecht konzentriert auf allen Vieren im Feld, um zwischen dem ganzen Unkraut nach Pastinakenpflanzen zu suchen. In gebückter Haltung oder auf sogenannten „Fliegern“, einer Art überdachter Holzplatte, auf der man liegt und von einem Traktor gezogen wird, kann die Arbeit ausgeführt werden. Dies kann aber auch gesundheitliche Auswirkungen haben. Hilsenbek lehnt sich zurück auf ihre Fußballen und stemmt für eine kurze Pause die Hände in die Rippen: „Das Problem ist, dass all das hier sehr einschläfernd ist und einem durch die Haltung das Blut in den Kopf steigt.“
EXIST-Förderung für die UnternehmensideeDie Wissenschaftler, die sich bei einem vorherigen Arbeitgeber kennengelernt haben, entwickelten die Idee für ihren Roboter aus einer früheren Arbeit von Pastrana. Dieser hat der Universität Hannover über die Detektion und Klassifikation von Unkraut mit Hilfe statistischer Modelle promoviert und dort mit einem Kollegen eine Vorläuferversion des Unkraut-Lasers gebaut. Der Prototyp konnte eine ein Quadratmeter große Fläche bearbeiten. Mit einem Exist-Gründerstipendium konnten Pastrana und Wigbels nun die Entwicklung an der Universität Bonn unter dem Projektnamen Escarda vorantreiben. Der Unterschied des alten zum jetzigen Prototypen besteht vor allem darin, dass letzterer ein besseres und schnelleres Erkennungssystem besitzt und sich schneller über das Feld bewegen kann. Das System ist allerdings noch lange nicht fertig. Ein Problem für die Wissenschaftler stellen die Insekten dar, die sich auf den Unkräutern befinden. Der Laser ist noch nicht so weit entwickelt, dass er diese erkennen kann.
Der Proof-of-Concept-Prototyp, also die Umsetzung des theoretischen Projektes in die Praxis, wird voraussichtlich in den nächsten Monaten fertig werden, sodass die Wissenschaftler auf Investorensuche gehen können. „Würde es solch ein System geben, das sich auch kleinere Gärtnereien leisten können, würden wir es auf jeden Fall nutzen“, sagt Hilsenbek. Die erste Maschine soll in den nächsten zweieinhalb bis drei Jahren auf dem Feld fahren können.
Weiterführende Links:
Pressemitteilung der Uni Bonn zum Projekt EscardaÜber das EXIST-Gründerstipendium
Artikel vom 15.09.2017
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