Von Udo Scheuer
Diese positive Grundeinstellung darf man vermutlich der Tatsache zuschreiben, dass viele zwischen der Tätigkeit der Forscher und der Erfindung so nützlicher Geräte wie dem fotografierenden Taschentelefon einen Zusammenhang vermuten.
Neue Berichte aus der Zeitschrift „Nature“, der BILD-Zeitung der Nobelpreisträger, werfen jedoch die Frage auf, ob die Tätigkeit der Wissenschaftler nicht mit größerem Misstrauen beäugt werden sollte.
Anlass ist das traurige Schicksal einer Wanderratte (Rattus norvegicus), Angehörige einer umtriebigen Spezies, deren Name vermuten lässt, dass sie schon den nach Westen segelnden Wikingern vor 1.000 Jahren treue Gefährten gewesen sind.
Dieses spezielles Rattenexemplar, wir wollen es Norvi nennen, wurde kürzlich von neuseeländischen Wissenschaftlern einem perfiden Experiment unterzogen. Alleine auf sich gestellt, ohne Begleitung von Artgenossen, wurde Norvi auf einer einsamen Insel ausgesetzt – einzig mit dem Ziel, ihn umgehend wieder einzufangen. Denn dies war die Frage, die durch Versuche geklärt werden sollte: Wie kann man möglichst rasch unerwünschte Eindringlinge beseitigen, die in zunächst kleiner Zahl eine Insel besiedeln?
Kann man diese Problematik angesichts der Kaninchenplage in Australien noch mit einem gewissen theoretischen Interesse verfolgen, so wendet sich das Blatt schnell, wenn wir uns das weitere Schicksal Norvis vor Augen führen. Trotz des Einsatzes von Suchhunden, zahlreicher Fallen und eines Funkpeilsenders gelang es diesem Robinson unter den Wanderratten, in einem Gebiet von einem Hektar Größe einigermaßen unbehelligt zu leben. Als die Nachstellungen auch diesem genügsamen Nagetier zu viel wurden, warf er sich ins Meer und schwamm kurzerhand zur 400 Meter entfernt gelegenen Nachbarinsel – zweifellos auf der Suche nach ruhigem, wissenschaftlerfreiem Lebensraum und Artgenossen.
Nur unzureichend können wir uns seine Verzweiflung vorstellen, als die heimtückischen Forscher ihn auch auf der neuen Insel orteten. Tapfer kämpfte Norvi vier weitere Wochen, bis er durch vergiftetes Pinguinfleisch ein zu frühes Ende fand. Die Meinung des Pinguins ist nicht überliefert, dürfte aber, was die Wissenschaftler angeht, kaum schmeichelhafter sein.
Sollten Sie also auf der Straße Forschern begegnen, die auf der Suche nach Probanden sind, oder sollte Sie zu Hause der Anruf eines Call Centers erreichen, der Sie für eine Teilnahme an „harmlosen“ Versuchen gewinnen will, suchen Sie das Weite. Spätestens, wenn man Ihnen den Funksender anlegt. Und meiden Sie Pinguinfleisch!
Artikel vom 27.10.2005
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