Von Eva Tritschler
Der Arzt Thomas Harvey hatte es gestohlen, um den Genius des Verstorbenen zu lokalisieren. Ein vergebliches Unterfangen, wie man weiß.Und jetzt also rauscht sozusagen das Denkorgan Gregor Gysis durch den Boulevard-Blätterwald, zumindest Fotos, auf denen angeblich Schichtaufnahmen seines Gehirn zu sehen sind. Doch warum ist außer den Umrissen nichts zu sehen? Denn dass das Hirn Gysis leer sein soll, können wir nicht glauben. Schließlich hat der Mann ein abgeschlossenes Jurastudium. Bemerkung am Rande: Auch Lenin war Rechtsanwalt. Das Pauken von Gesetzen, Paragraphen und Fällen muss Spuren hinterlassen.
Da nichts davon zu sehen ist müssen wir von einem Fall Diebstahl geistigen Eigentums ausgehen. Denn dass Einzelheiten unkenntlich gemacht wurden, um Gysis Privatsphäre zu schützen, erscheint in diesem Zusammenhang unwahrscheinlich. Wer aber hat nun Gysis Hirn gestohlen, besser: dessen Inhalt. Geht das überhaupt? Die Hirnforscher wissen bis heute nicht, wie der Geist in das Gehirn reinkommt und wie Menschen das Wissen wieder abrufen. So gesehen lässt sich der Dieb vermutlich den Nobelpreis entgehen, wenn er sich nicht zu erkennen gibt.
Wahrscheinlich ist aber einmal wieder alles nur ein Trick des schlitzohrigen Politikers und Taktikers. Indem er sein Hirn eliminiert, klettert er gleich mehrere Stufen zu seinem neuen Spielkameraden Lafontaine hinunter. Gleich und gleich gesellt sich immer noch gern. Wäre es nicht so, hätte er seinen Arzt doch längst wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht verklagt.
Artikel vom 30.06.2005
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