Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
von Adib El Khaldi
Anfang April 2016 veröffentlichte die israelische Tageszeitung Haaretz die bereits bekannte Meldung des „Spiegel“, der deutsche Auslandsgeheimdienst BND habe über Jahre unter anderem das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu abgehört. Man mag darüber spekulieren, warum man in Israel erst so spät reagierte. Aber beim Lesen der Haaretz-Meldung lief sofort folgender Film im Kopf.
Benjamin Netanyahu, Regierungschef Israels, bleibt bei dieser Frühstückslektüre fast das Brötchen im Hals stecken. Er reagiert und bestellt umgehend den deutschen Botschafter ein. Große Unsicherheit in Berlin, Krisensitzung im Kanzleramt. Die bedingungslos und uneingeschränkt solidarische Bundeskanzlerin Angela Merkel reist mit dem gesamten Kabinett nach Jerusalem, um Netanyahu milde zu stimmen. Natürlich ist sie sauer auf den BND, dass der sich hat erwischen lassen.
In ihrem Koffer: drei Milliarden Euro plus ein atomwaffenfähiges U-Boot der Dolphin-Klasse. „Die Abhöraktion war rein freundschaftlicher Natur und diente einzig dem Zweck, eventuellen künftigen israelischen Geldforderungen zuvorzukommen. Wir möchten einfach vermeiden, dass Israel irgendwelche Ansprüche auf Entschädigung selbst einfordern muss. Nein, von antisemitischen Tendenzen distanzieren wir uns“, spricht Merkel mit devoter Körperhaltung dem Deutschlandfunk ins Mikrofon und säuselt noch etwas von israelischen Opfergefühlen und deutscher Staatsräson.
In Jerusalem spannt Netanyahu Merkel gegenüber in angespannter Atmosphäre einen weiten Bogen: Der israelische Premier bekräftigt seine Aussage, Palästinenser seien genau wie die Nazis involviert in den millionenfachen Mord an Juden. Der Großmufti von Jerusalem habe seinerzeit Hitler zum Holocaust überredet. Dafür gebe es historische Belege. Netanyahu kommt immer mehr in Fahrt: Israelische Historiker kämen zu dem Ergebnis, dass Hitler palästinensische Wurzeln habe. Sein Vater sei gebürtig aus Nazareth, habe sich in jungen Jahren einer palästinensischen Miliz angeschlossen und sei mit einem Kommando in das österreichische Braunau gereist, um eine Intifada loszutreten, mitten im Herzen Europas.
Schnitt. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wendet sichtlich schockiert ein, dass doch viele Israelis ebenso wie die Palästinenser Araber seien. Duckt sich dann unter dem Blick Netanjahus, verspricht eine Aufstockung der israelischen Militärhilfe und lobt die hohen moralischen und ethischen Werte der israelischen Armee. Denn palästinensische Jugendliche würden zielgenau per Kopfschuss neutralisiert, damit Schmerz oder Leid gar nicht erst aufkommen könnten. Das sei zutiefst human und stehe im Einklang mit jüdisch-christlichen Traditionen. Israel sei zusammen mit Saudi-Arabien einziger demokratischer Lichtstreif am düsteren Horizont des Nahen Ostens.
In Bezug auf palästinensische Forderungen zeigt sich die Kanzlerin erschüttert. Gerechter und dauerhafter Frieden im Nahen Osten könne nur mit der Selbstaufgabe des palästinensischen Volkes einhergehen. Die Sehnsucht der Palästinenser nach einem selbstbestimmten Leben weist sie als islamistisch motiviert zurück. Zwar hätten die Israelis moderne Waffen und setzen diese auch gegen die ungeliebten Nachbarn ein, aber Steinwürfe im Gegenzug? Das seien terroristische Angriffe, die nicht nur gegen Israel gerichtet seien, sondern gegen die gesamte westliche Wertegemeinschaft.
Außenminister Frank- Walter Steinmeier pflichtet den Kollegen bei und unterstreicht die Solidarität des deutschen Volkes: „Israelkritische Aussage sind in Deutschland tabu und gesellschaftlich verpönt. Sollte doch mal jemand aus der Reihe tanzen, ziehen wir einfach wieder den ein oder anderen Paragraphen aus der Kaiserzeit aus dem Ärmel“, sagt Außenminister Steinmeier grinsend bei einer Pressekonferenz und klopft dem israelischen Regierungschef auf die Schulter. Differenzierte Meinungen wären in Deutschland ohnehin kein Thema. Die Springerpresse leiste dabei mit ihrem Programm „Bild dir dein Volk“ gute Arbeit.
Beim gemeinsamen Abendessen, das zunächst nicht im Protokoll vorgesehen war, stockt Merkel ihr Mitbringsel auf fünf Milliarden Euro auf und ringt so dem israelischen Regierungschef doch noch ein Lächeln ab.
Schweißgebadet erwachte ich, während im Kopf noch der Abspann lief.
Artikel vom 01.07.2016
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