Von Udo Scheuer
Überrascht, aber bald auch begeistert reagiert das Publikum: Gleich auf zwei öffentlichen Kanälen und zur besten Sendezeit (19 Uhr im ZDF und 20 Uhr in der ARD) ist der genreübliche Mix aus Konflikt, Tragödie und Romanze zu verfolgen. Grimmepreisverdächtig alleine schon der Plot, der sich am Nibelungen-Mythos orientiert. Als brillant feiern Kritiker insbesondere die Besetzungsliste, die durch ihre Umkehrung der traditionellen Zuordnung von Alter und Geschlechtszugehörigkeit „mit herkömmlichen Sehgewohnheiten bricht“.
Die Rolle des tapferen Recken und verlässlichen Anführers der ehedem zerstrittenen Horden ist mit Franz Müntefering adäquat besetzt. Als düsteren Widersacher Hagen von Tronje, der „Münte“-Siegfried schließlich den Garaus macht, finden wir Andrea „Das-habe-ich-nicht-gewollt“ Nahles – ein Besetzungscoup, der von den wenigsten Experten erwartet wurde.
Den Anführer der Burgunder, der Münte-Siegfried die höheren Weihen verdankt, gibt Angela Merkel – leider ohne die Prinz-Eisenherz-Frisur, die ihr besondere Glaubwürdigkeit verliehen hätte. Ein Höhepunkt der Schauspielkunst schließlich die Rolle der ewig unzufriedenen und zänkischen Ehefrau Brunhilde in der unvergleichlichen Interpretation von Edmund Stoiber. Insbesondere die herzergreifende Szene seines Abschieds aus Berlin – „nicht ohne meinen Münte“ - hat viele Zuschauer bewegt, vor allem in seinem Stammland Bayern.
Ob die Serie dieses hohe Niveau wird halten können, ist nicht klar. So wurde der im Rhein versenkte Schatz gestrichen. Einerseits stand in der brandenburgischen Steppe der Rhein nicht mehr zur Verfügung, andererseits waren im Bundeshaushalt keine geeigneten Schätze mehr auffindbar. Allerdings freuen sich Eingeweihte schon heute auf den Auftritt des Rächers Guido-Etzel mit seinen gelb-grünen Hunnenhorden, die Angelas Burgunder büßen lassen. Fortsetzung folgt!
Artikel vom 03.11.2005
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