Von Andreas Dyck
Zumindest war das in den Sechzigern so. Damals, als die Freidenker der Hochschulen noch klischeegerecht mit erhobener Faust und Haschischpfeife auf die Barrikaden gingen. Würden die Revoluzzer von damals einen Blick auf die heutige Studentenschaft werden, sie würden vor Schreckt wahrscheinlich aus den Chefsesseln fallen, in denen sie heute sitzen. Trotz Studiengebühren und sozialen Einschnitten: von Steine werfenden Studenten und brennenden Autoreifen hierzulande keine Spur.
Auch wenn die jungen Kollegen in Paris den Klassenkampf auf der Straße erfolgreich vormachen: also bitte, wie altmodisch! Willkommen in der Zukunft, liebes Frankreich! Deutsche Hochschüler sind da schon ein gutes Stück weiter. Aufstand? Na klar! Aber dann doch lieber unerkannt. Auf der Internetseite MeinProf.de bewertet der aufgeklärte und meinungsbewusste Student von heute stattdessen, was er da so geboten bekommt, wenn er sich morgens zur Vorlesung bequemt. In knapp zehn Kategorien werden bundesweit mehr als 20.000 Professoren zum Wettkampf in die virtuelle Arena gezwungen. Wer verliert, dem wird zum Beispiel „völlige Fehlbesetzung“ attestiert. Dagegen wehren können sich die Profs kaum, und mitmachen kann ganz demokratisch jeder, egal ob er studiert oder nicht. Ist doch toll!
Schade nur, dass man den unliebsamen Akademiker nicht gleich auch höchstbietend versteigern kann. „Drei, zwei, eins, mein Prof“, Ebay lässt grüßen. Dafür kann man ihn aber wunderbar in die Pfanne hauen, wenn einem zum Beispiel die Note der letzten Matheklausur nicht gefällt, und das völlig anonym. Sozusagen aus dem Untergrund, das hört sich doch gleich besser an.
Ein bisschen erinnert das ja an „Teacher Games“, einem Computerspiel aus den Achtzigern. Da konnte man die Pauker seiner Wahl mit Panzer und Flammenwerfer über die virtuelle Spielwiese jagen und so seinem Lernstress Luft verschaffen. Da fragt man sich doch, was als nächstes kommt. In Osteuropa gibt es seit neuestem Computerspiele, in denen Studenten den Aufstand nachspielen können: mit Straßensperren, Wasserwerfern und dem ganzen Drumherum. Das ist Revolution per Mausklick, ganz bequem aus dem Wohnzimmer. Na, wer da noch auf die Straße geht, der hat doch wirklich was verpasst.
Artikel vom 15.02.2007
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