Interview: Marion Laurisch
Um einen genderdiversen Ausdruck zu erreichen, verwendet Bella im Interview die Endung „-y“ als auch die englischen neutralen Pronomen them und they.
doppelpunkt: Eine klassische Erziehung prägt binäres Denken in den Kategorien weiblich und männlich. Was hat dir geholfen, die eigene Geschlechteridentität zu finden?
Bella: Ich habe die scheinbare Dualität der Gender immer schon als sehr einengend empfunden, auch wenn ich lange gebraucht habe, um diesem Gefühl Ausdruck zu verleihen.
Vor allem, wenn es um die Erwartungshaltung meiner Umwelt an mich geht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es oft einen Unterschied darin gibt, wie Menschys mit anderen Personys interagieren und them behandeln, abhängig davon ob they als männlich oder weiblich gegendert werden.
Geholfen haben mir dabei auch nicht-binäry Role Models, wie etwa Jonathan van Ness. Ein Katalysator dafür, mich nicht mehr binär zu definieren, war rückblickend betrachtet vielleicht die Tatsache, dass ich viel Kontakt mit trans*Personys habe, von denen sich viele sehr stark binär als männlich oder weiblich identifizieren, doch das Spektrum dazwischen – für sich selbst – ablehnen. Und sich in Verhalten und Aussehen davon einschränken lassen und daran orientieren, was in their ganz eigenen Definition typisch beziehungsweise möglichst männlich oder weiblich ist.
Das empfinde ich als sehr einengend. Denn mein persönlicher Anspruch ist es nicht, typisch beziehungsweise möglichst binär männlich und/oder weiblich zu sein, sondern einfach möglichst Ich.
doppelpunkt: Sprache kreiert Bewusstsein. Gendergerechte Sprache als auch schriftliche Formulierungen wie der Gebrauch von Doppelpunkt, Gendergap oder Sternchen bieten Möglichkeiten, auf die Geschlechterdiversität einzugehen. Wie siehst du das?
Bella: Für mich sind solche Formulierungen schon ein großer Fortschritt, da der Einfluss von Sprache, besonders auf das Unterbewusstsein und den Umgang untereinander und daraus folgend der Wichtigkeit von Sprache, allgemein stark unterschätzt wird.
Ich persönlich finde jedoch, dass damit nur ein Meilenstein erreicht ist und das Ziel eine genderneutrale Sprache sein sollte.
doppelpunkt: Geschlechtsneutrale Sprache kann also ein Lösungsansatz sein?
Bella: Ja, absolut. Denn durch genderneutrale Formulierungen inkludiert Sprache alle Genderidentitäten automatisch und vereinfacht dadurch die Sprache, ohne jedoch exklusiv zu sein. Und es entfällt die Notwendigkeit zu wissen, an wen ich meine Worte richte. Genderneutrale Formulierungen schließen alle Personys ein.
doppelpunkt: Was wird aus deiner Sicht bereits an der Hochschule von Studierenden oder der Hochschule selbst getan?
Bella: Ich sehe, dass es Bemühungen zur Verwendung genderbewusster Sprache gibt, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind und die bewusste Inklusion der binären männlichen und weiblichen Gender betreffen. Dadurch werden jedoch nicht-binäre Genaderidentitäten potenziell ausgeschlossen.
Das passiert beispielsweise bei Formulierungen, wie „Studentinnen und Studenten“. Eine bessere Art inklusiv zu formulieren, ist im Falle von Studentys die Nutzung von Termen wie „Studierende“, da hier auch nicht-binäre Genderidentitäten inkludiert sind. Allerdings funktionieren Formulierungen wie „Studierende“ nicht bei allen Begriffen. „Kolleginnen und Kollegen“ ist so ein Beispiel dafür. Hier bietet sich eine genderneutrale Variante wie „Kollegys“ an.
doppelpunkt: Du hast im Vorgespräch deine Mitarbeit bei transhilfe.de erwähnt. An wen richtet sich die Community?
Bella: Die Community richtet sich an trans*, nicht-binär und inter. Sie bietet Hilfe zur Selbsthilfe zu allen Themen, die während der Transition aufkommen und ist ein Ort des Austauschs zu transition-related Topics und auch ganz trivialen Dingen des Alltags.
Es sind alle Personys willkommen, die lösungsorientiert ihr Leben verändern wollen und/oder Unterstützung und Austausch mit anderen trans*-, nicht-binäry und inter-Personys finden wollen.
Seit kurzem sind auch Allys, das heißt Freundys und Familie von Menschys, die trans*, nicht-binär und inter sind, auf dem Server willkommen.
Diesy sind in einer eigenen Area untergebracht, die vom Hauptbereich der Community separiert ist, und bekommen dort auf freiwilliger Basis Unterstützung zum respektvollen und supportiven Umgang mit Freundys und Angehörys.
doppelpunkt: Und welche Rolle spielst du dabei?
Bella: Ich bin Gründy von transhilfe.de und gehöre zur Leitung der transhilfe-Community auf Discord und kümmere mich um die strategische Planung etwa zu Vision und Mission von transhilfe. Ich produziere auch sporadisch selbst Content. Und natürlich bin ich auch ein ganz normaly Memby der Community und beteilige mich mal mehr, mal weniger aktiv.
doppelpunkt: Was hat es mit nibi.space auf sich?
Bella: „nibi.space“ ist das Nichtbinär-Wiki und ist eine Sammlung von Artikeln hinsichtlich nicht-binär, trans* und inter. Er bietet eine gute Orientierung für alle Personys, dy sich zu diesen Themen informieren wollen.
doppelpunkt: Was kann aus deiner Sicht seitens der Hochschule verbessert werden?
Bella: Ich sehe, dass die Hochschule schon sehr viele Dinge tut und bestrebt ist, ein modernes, gleichberechtigtes Umfeld für alle Personys unabhängig von Gender, Herkunft, Ethnie und Möglichkeiten zu bieten. Dafür möchte ich an dieser Stelle ein großes Lob aussprechen.
Dy Verantwortlichys der Hochschule sollten sich jedoch nicht auf bereits Erreichtem ausruhen, sondern stets bemüht bleiben, ungenutzte Potenziale zu identifizieren und zu nutzen.
doppelpunkt: Siehst du beim Lehrpersonal die Notwendigkeit für mehr Sensibilisierung und Verwendung von genderbewussten Formulierungen?
Bella: Das hängt stark von den einzelnen Personys ab. Im Großteil der Veranstaltungen, an denen ich selbst teilnehme, sehe ich ehrlich gemeinte Bestrebungen, genderbewusste und inklusive Formulierungen und Anreden zu benutzen, auch wenn es an einigen Stellen noch etwas unbeholfen anmutet.
Bei manchen Personys, sehe ich dort jedoch noch ungenutztes Potenzial hinsichtlich Sensibilität bezüglich Gender und der Verwendung von genderbewussten Formulierungen. Wobei natürlich für mich persönlich genderneutrale Sprache das Ziel sein sollte.
Weiterführende Links und Tipps zum Thema:
Blogs, Foren, Organisationen:
Blog „Unkraeuter“
Queerheinbach (mit Verweisen zu Facebook und Instagram)
Website transhilfe.de
Bundesverband Trans*
Medieval Feminist Forum
Bücher:
Philipp Meinert: Homo Punk History (Buchkritik)
Mika Murstein: I’m a queerfeminist cyborg, that’s okay
Helen Oyeyemi: What is not yours is not yours
Aubrey Gordon: What We Don't Talk About When We Talk About Fat
George M. Johnson: All boys aren't blue
Aubrey Gordon: What We Don't Talk About When We Talk About Fat
Serien/ Filme/ Dokus:
Paris is burning (Dokumentation)
Disclosure (Netflix Dokumentation)
Sense8 (Serie)
Podcasts:
Queer as Fact (Podcast)
Queer Sex Ed (Podcast)
The Magnus Archives (Podcast)
Artikel vom 25.01.2021
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