von Paul Rohleder
Dennoch werden der Technologie oft Eigenschaften angedichtet, die in der Praxis leider wenig zutreffend sind. Die oft proklamierte Anonymität entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Pseudonymisierung, und die oft erklärte Nicht-Regulierbarkeit solcher Netzwerke scheint innerhalb der meisten Systeme eher Wunschvorstellung als technische Tatsache zu sein. Beides ist zwar generell erreichbar, führt in der Folge aber zu neuen Problemen. So steht die Technologie etwa immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit, Dezentralisierung und technischer Praktikabilität. Das eine kann nur zulasten der anderen Faktoren erreicht werden, weshalb man auch vom Blockchain-Trilemma spricht.
Die Verhaltenskryptoökonomie weist zudem darauf hin, dass auch gewöhnliche Probleme des kollektiven Handelns entstehen können. So gibt es klassische spieltheoretische Probleme, die auch innerhalb von Blockchain-Netzwerken nicht einfach aufgelöst werden können. Ist das Netzwerk vollkommen frei zugänglich, besteht beispielsweise die Gefahr der Übernutzung – das Phänomen ist aus der Soziologie bekannt als die Tragik der Allmende. Reguliert man Zugang und Einhaltung der Netzwerkregeln ohne zentrales Gewaltmonopol, basiert dies aber zumeist auf ökonomischen Anreizen. Hieraus können sich bekannte ökonomische Probleme ergeben.
Die Blockchain hat das Potential, Lebensbereiche transparent, manipulationssicher und ein Stück demokratischer zu gestalten, und kann wirtschaftliche und soziale Prozesse stark verändern. Dennoch steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen, und es muss sich noch zeigen, welche Versprechungen gehalten werden können und was nicht möglich sein wird.
Artikel vom 23.06.2020
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